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Prägung
definiert der Amerikaner in seinem Buch als Lernprozess, der kurz
nach der Geburt einsetzt und in dem spätere Verhaltensmuster
festgelegt werden. Praktisch gesehen sieht das so aus: Unter der
Voraussetzung, sich nicht zwischen Stute und Fohlen zu drängen,
beginnt er schon in den ersten Minuten nach der Nabelbehandlung
mit dem Abtrocknen des Neugeborenen. Stute und Fohlen sollen sich
beschnuppern, denn Dr. Miller will nicht die Rolle der Mutterstute
einnimmt, sondern die eines Herdenmitgliedes. Das Fohlen soll
aber die ganze Zeit liegen bleiben. Will es aufstehen wird es
von Dr. Miller daran gehindert, es soll sich dem Menschen unterwerfen.
Durch Abreiben oder Streicheln - mit oder ohne Tüte oder
Tuch - soll das junge Pferd nun lernen, die Berühungen des
Menschen zu akzeptieren. Dr. Miller bereitet die Fohlen aufs Hufe
geben, Halfter tragen, tierärztliche Untersuchungen und auf
das gesattelt werden vor. Natürlich sattelt er die Kleinen
nicht.
Nur durch die Berührungen in der Bauchgegend, im Maul oder
unter der Schweifrübe, den sie solange erfahren, bis sie
sich nicht mehr dagegen wehren, werden die Fohlen darauf vorbereitet.
Der Tierarzt rät: Erst wenn das Fohlen die gewünschte
Reaktion zeigt, kann man mit der Übungsphase aufhören
und zum nächsten Körperteil übergehen. Also erst,
wenn es sich willig abreiben lässt, ist die Übung zu
Ende. Würde man mit dem Streicheln aufhören, während
es sich wehrt, wäre der Lerneffekt, der ja langfristig anhält,
genau gegenteilig. Es würde auf Wiedersetzlichkeit geprägt
werden. Und genau hier sehen viele Kritiker das Problem: Der Schaden,
der durch Fehlprägung verursacht werden kann - denn nur wenige
Menschen haben eine langjährige Erfahrung mit Imprinting
und sind zudem noch Tierarzt - ist zu groß, als das man
nach einem Buch oder Video eine für sich neue Methode an
einem Fohlen ausprobieren kann. Soziales Fehlverhalten in der
Herde sowie aggressive oder abnormale Verhaltensweisen dem Mensch
gegenüber könnten die Folgen von falschem Imprinting
sein.
Es gibt noch keine Studien über die Auswirkungen, die Prägungs-Training
langfristig auf Pferde haben kann. Fohlen haben noch keine schlechten
Angewohnheiten. Sie reagieren rein istinktiv und sind noch unverdorben
was Erlebnisse mit dem Menschen angeht. Das verhalten und die
zukünftigen Raktionen des Neuankömmling liegen in den
Händen des Züchters. Mit einem Fohlen sollte behutsam,
artgerecht, gewissenhaft und sensibel umgegangen werden, um ihnen
den Einstieg in die Welt der Zweibeiner so leicht wie möglich
zu machen.
Rika Schneider
KRITISCHE
STIMMEN ZUM PRÄGUNGS-TRAINING:
Dr. Dirk Lebelt, Fachtierarzt für Vehaltenskunde:
Ich sehe Imprinting sehr kritisch: Grundsätzlich muss man
sagen, dass der Begriff Prägung für die Anwendungen
von Dr. Robert Miller nicht korrekt gewählt wurde. Ein Fohlen
wird schon durch die einfache Anwesenheit eines Menschen auf ihn
geprägt beziehungsweise teilgeprägt. Was in dem Buch
des Amerikaners aber beschrieben wird ist eine Desensibilisierung
auf Berührungen des Menschen. Ich habe Dr. Miller kennengelernt
und glaube durchaus, dass er Fohlen in den ersten Stunden positiv
prägt oder desensibilisiert, ohne das Verhältnis zwischen
Fohlen und Mutterstute zu stören. Er beschäftigt sich
aber schon seit den 70er Jahren mit diesem Thema und ist erfahren.
Große Gefahr für das zukünftige Sozialverhalten
des Fohlens sehe ich aber bei unsachgemäßer Ausführung.
Jemand, der Imprinting nach dem Buch ausführt, kann mehr
kaputt als gut machen. Wenn man ein Fohlen gegenüber Reizen
desensibilisieren möchte, dann kann man das auch noch ab
dem zweiten oder dritten Lebenstag machen, dann ist das Risiko
es langfristig falsch zu prägen nicht mehr so groß.
Fohlen können spielerisch ans Hufe geben herangeführt
werden. Es muss nicht unbedingt in den ersten Stunden an alles
gewöhnt werden, auch wenn in unserer Gesellschaft eine schnelle
Lösung gern gesehen wird. Man sollte sich Zeit nehmen und
das Kleine peu a peu an uns Menschen und unsere Ansprüche
gewöhnen. Fohlen, die von Geburt an sehr stark auf Menschen
fixiert sind, integrieren sich oft schwer in eine Pferdeherde.
Imprinting ist in der Szene sehr umstritten: Es gibt noch keine
wissenschaftlichen Untersuchungen über Spätfolgen eines
Imprinting-geprägten Fohlens. Ein Projekt dieser Richtung
wurde in den USA angedacht, aber wegen des enormen Aufwands noch
nicht durchgeführt. Ich würde immer von Imrpinting abraten.
Mit Liebe, Geduld und Verstand kann man ein Fohlen auch über
einen längeren Zeitraum an den Zweibeiner gewöhnen.
Westerntrainer
und Quarter Horses-Züchter Peter Kreinberg:
Wie bei allen Methoden und Techniken bestimmt auch beim Prägungs-Training
die Anwendung das Ergebnis. Nur die korrekte Umsetzung lässt
ein Fohlen positiv reagieren. Laien sollten "Imprinting"
bei Neugeborenen grundsätzlich nicht anwenden, sondern es
zunächst bei erfahrenen Kennern lernen. Ein Buch kann immer
falsch interpretiert werden und bei einer sensiblen Sache, wie
der Prägung eines Fohlens, sind die Auswirkungen immens:
Psychische Störungen und aggressive Reaktionen des Tieres
können die Folge sein. Imprinting ist nicht neu, in der Westernreitszene
profitieren Züchter seit Jahren von diesem Wissen. Ich präge
meine neugeborenen Fohlen nach den Techniken von Dr. Robert M.
Miller. Sie reagieren schon früh positiv auf Berührungen
des Menschen und erfahren einen angenehmen Umgang mit den Zweibeinern.
Prägungs-Training erleichtert dem Pferd das Zusammensein
mit dem Menschen von der ersten Stunde an. Hobby-Züchter
oder Laien, die noch keine Möglichkeit hatten die Prägung
eines Fohlens durch einen Könner zu erlernen, können
die Imprinting-Übungen ab Fohlen-Woche zwei umsetzen: Hufe
geben, Führen, Weichen oder Anbinden wird dort in Kurzübungen
erläutert. Wichtig: Ein Fohlen ist kein Experimentierobjekt,
mit Imprinting sollte sehr gewissenhaft umgegangen werden.
Eberhard Schulte-Böcker, Rheinländischer Züchter:
Ich habe von "Imprinting" noch nicht gehört,
habe aber im Laufe der Jahre die Erfahrung gemacht, dass es sehr
wohl einen Unterschied macht, ob man Fohlen nach der Geburt mit
einem Handtuch abreibt oder nicht. Bei einer braven Zuchtstute
trockne ich - nach der Versorgung des Nabels - das Neugeborene
zärtlich am ganzen Körper ab. Diese Fohlen sind zugänglicher
als die, die auf der Weide geboren werden und in den ersten Stunden
keinen menschlichen Kontakt erfahren.
Dr.
Barbara Schöning, Fachtierärztin für Verhaltenskunde
und Tierschutz:
Bei den Übungen, die Dr. Robert M. Miller in seinem Buch
erläutert, geht es um eine sogenannte Reizüberflutungstherapie
(auch Flooding genannt). Sie ist, angewandt bei neugeborenen Pferden,
äußerst gefährlich. Langfristig kann diese Vorgehensweise
Verhaltensstörungen bei Pferden verursachen, da das Tier
durch einen Angstreiz lernt. Der Begriff Prägung wird im
Fall von Imprinting nicht richtig verwendet. Prägung ist
die genetische Vorgabe in einem Tier, dass es in bestimmter Form
reagieren soll (sich an das erste Objekt hängen, das es nach
der Geburt sieht). Als Prägung kann man jedoch nicht das
Abreiben des Fohlenkörpers, bis es das akzeptiert, bezeichen
- dies fällt nämlich unter die Reizkonfrontationstherapie.
Fohlen können auch langsam durch positive Erlebnisse an Berührungen
gewöhnt werden. Ich sehe keinen Grund dafür, warum dies
direkt nach der Geburt geschehen sollte.
Text
©Rika Schneider
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