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Warendorf (fn-press).
Abschätzung mit Hilfe des Online Kalkulators des Max-Planck-Instituts
für Chemie
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, sich beim Reiten mit dem
Coronavirus zu infizieren? Diese Frage hat sich seit Beginn der
Corona-Pandemie wohl jede*r Reiter*in schon gestellt. Dass die
Ansteckungsgefahr in schlecht belüfteten Innenräumen größer ist
als in gut belüfteten Räumen und im Freien, daran besteht kein
Zweifel. In manchen Bundesländern werden jedoch Reithallen, die
über eine gute Belüftung verfügen, mit geschlossenen Sporthallen
gleichgesetzt und in der Konsequenz der Reitunterricht in Reithallen
verboten. Seit Beginn der Pandemie setzt sich die Deutsche Reiterliche
Vereinigung (FN) mit guten Argumenten dafür ein, dass Reithallen
weiterhin für Training und Unterricht genutzt werden dürfen. Untermauert
wird diese Forderung durch eine Abschätzung, die die FN nun mit
Hilfe des Online Kalkulators des Max-Planck-Instituts für Chemie
durchgeführt hat. Dr. Frank Helleis vom MPIC sagt: „Das Ansteckungsrisiko
in der Reithalle durch Aerosole ist als vergleichsweise gering
bis sehr gering einzustufen.“ Im Vergleich deutlich höher ist
das Infektionsrisiko durch Tröpfchen bzw. direkte Kontakte in
kleineren, weniger gut belüfteten Räumen wie Sattelkammern und
Sanitäranlagen. Hier müssen daher Hygieneregeln greifen, um Schutz
zu gewährleisten.
Die Berechnung wurde in zwei Szenarien mit dem „COVID 19 Aerosol
Transmission Risk Calculator“ des Max-Planck-Instituts für Chemie
(MPIC) durchgeführt. Beim ersten Szenario halten sich insgesamt
sechs Personen (Trainer*in und fünf Schüler) für die Dauer von
einer Stunde in einer Reithalle mit einer Größe von 800m² (20x40m)
auf. Infizierte Person ist der/die Trainer*in. Keine Person trägt
eine Schutzmaske. Bei einem solchen Szenario beträgt die Wahrscheinlichkeit,
dass ein*e bestimmte*r Teilnehmer*in infiziert wird, etwa 0,37
Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens ein*e Teilnehmer*in
infiziert wird, beträgt etwa 1,8 Prozent. Beim zweiten Szenario
ist die infizierte Person ein*e Reiter*in. Insgesamt befinden
sich acht Reiter*innen für die Dauer einer Stunde in der Halle
(20x40m). Jede*r reitet/trainiert für sich und es erfolgt keine
Unterrichtserteilung. Hier beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass
ein*e bestimmte*r Teilnehmer*in infiziert wird, etwa 0,010 Prozent.
Die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens ein*e Teilnehmer*in infiziert
wird, beträgt etwa 0,073 Prozent.
„Gefüttert“ wurde der Kalkulator des MPIC mit Angaben zur infizierten
Person (Redelautstärke, Redeanteil, Atemzeitvolumen), zum Raum
(Reithalle) und zur Veranstaltung (Dauer, Anzahl der Teilnehmer*innen).
Das Atemzeitvolumen der infizierten Person richtet sich u.a. danach,
ob sich die infizierte Person sportlich betätigt (höheres Atemzeitvolumen)
oder Unterricht erteilt (übliches Atemzeitvolumen).
Besondere Eigenschaften von Reithallen
Reithallen, die sich an den Standardmaßen orientieren, zeichnen
sich durch große Grundflächen (800 bis 1200m²) und hohe Decken
aus (lichte Seitenhöhe über dem Hufschlag beträgt i.d.R. 4 bis
5 Meter). Die Deckenhöhe in der Mitte der Halle kann durchaus
höher sein. In den Szenarien ist eine Höhe von 4,5 Meter angegeben,
es handelt sich also eher um eine zurückhaltende Kalkulation.
In den Anwendungsbeispielen orientiert sich die gewählte Lüftungsrate
an der geschlossenen Bauweise mit einer Lüftung über Trauf und
First bzw. über Fenster. Zunehmend ist der Bau von vollständig
oder halb geöffneten Reithallen verbreitet, hier entspricht das
Innenklima nahezu dem Klima außerhalb der Reithalle. Aufgrund
dieser Eigenschaften ist die Luftaustauschrate bei der Berechnung
der Ansteckungswahrscheinlichkeit in einer Reithalle auf einer
Skala von 0 bis 10 mindestens mit dem Faktor 6, also relativ hoch,
zu beziffern. Bei einer „luftigen“ Bauweise liegt dieser Faktor
noch höher. Wichtig ist der kontinuierliche Austausch der Luft,
vorhandene Fenster und Tore sind daher zu öffnen.
Der „COVID 19 Aerosol Transmission Risk Calculator“ des MPIC liefert
zur besseren Veranschaulichung auch Vergleichswerte, etwa zum
Ansteckungsrisiko im Büro oder im Klassenraum. Auch hier zeigt
sich, dass Reithallen nicht die Orte sind, an denen große Ansteckungsgefahr
lauert. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine bestimmte
Person im Büro unter den im Kalkulator voreingestellten Parametern
infiziert, wird mit 19 Prozent berechnet. Die Wahrscheinlichkeit,
dass mindestens eine Person infiziert wird, liegt bei 57 Prozent.
Im Klassenraum beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass ein*e bestimmte*r
Schüler*in oder Lehrer*in infiziert wird, 9,9 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit,
dass mindestens ein*e Schüler*in oder Lehrer*in infiziert wird,
liegt bei 92 Prozent.
Begrenzung der Personenzahl und Maskenpflicht in Sattelkammern
Als Gesamtinterpretation und Fazit der Berechnung lässt sich festhalten,
dass das Ansteckungsrisiko in der Reithalle als gering bis sehr
gering einzustufen ist. Eine Einschränkung gibt es jedoch in Bezug
auf die Bereiche einer Sportanlage, in denen ein erheblich erhöhtes
Infektionsrisiko vorherrscht, also Umkleideräume oder im Falle
des Reitsports beispielsweise die Sattelkammern. „Hier kann das
Ansteckungsrisiko nur durch gezielte Maßnahmen wie Maskenpflicht,
konsequente Begrenzung der Anzahl gleichzeitig Anwesender und
die Desinfektion gemeinsam genutzter Werkzeuge vor der Benutzung
reduziert werden“, erklärt Dr. Helleis vom MPIC.
Appell für Nutzung von Reithallen – auch bei Notbremse
„In der öffentlichen Diskussion der Sportstättennutzung werden
Reithallen und sogar Reitplätze mit Überdachung mit Turnhallen
gleichgesetzt. Die Luftzirkulation in Reithallen und überdachten
Reitplätzen ist jedoch in Gänze anders. Ein kontinuierlicher Luftaustausch
ist sichergestellt. Wir haben seit Beginn der Pandemie gegenüber
der Politik fachlich dafür argumentiert, dass Reithallen und Reitplätze
mit Überdachungen wie Außenplätze behandelt werden“, sagt FN-Generalsekretär
Soenke Lauterbach. „Die Berechnung mit dem Kalkulator des MPIC
untermauert unsere Forderung nun noch einmal. Wichtig bleibt aber,
dass die Reithallen nicht allein betrachtet werden, sondern immer
mitbedacht werden muss, dass die Ansteckungsgefahr in Sattelkammern
oder Sanitäranlagen größer ist und deshalb dort der Zugang beschränkt
werden muss und Masken getragen werden müssen. Dafür haben wir
gut bewährte Hygienekonzepte, die seit Monaten in den Vereinen
und Betrieben umgesetzt werden.“
Die FN und die ihr angeschlossenen Landespferdesportverbände appellieren
deshalb noch einmal an die Entscheidungsträger*innen in Politik
und Behörden, auch bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100,
in Regionen, in denen die „Notbremse“ gezogen werden muss, die
Nutzung von Reithallen weiterhin für die Individualsportart Reiten
und für das Einzel-Voltigieren zu erlauben.
Auch der renommierte Hamburger Rechts- und Sportmediziner Professor
Klaus Püschel hatte schon im Mai 2020 erklärt, dass Reithallen
auch in Corona-Zeiten genutzt werden könnten. Das ausführliche
Interview ist auf der FN-Homepage nachzulesen
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