Nachdem der ApHCG die Erste, nach neuen EU-Tierzuchtrecht, gültige Zuchtbuchordnung (ZBO) erstellte und damit auch als erster Westernrassezuchtverband das Ursprungszuchtbuch seiner Rasse führen darf, ist nun mit der Einführung der Zuchtwertschätzung (ZWS) ein weiterer Meilenstein gesetzt, neue Wege in der Westernpferdezucht zu gehen. Mit dem Instrument der ZWS eröffnet der APHCG seinen Züchtern die Möglichkeit besser, bzw. optimierter zu züchten. Mit diesem brandneuen Service für seine Mitglieder stellt der ApHCG als kleinster der drei Westernpferdezuchtverbände erneut seine Vorreiterposition im Bereich Zucht unter Beweis.
Zucht lässt sich grundsätzlich definieren als die kontrollierte Fortpflanzung von Lebewesen mit dem Ziel der genetischen Veränderung. Dabei wird angestrebt, gewünschte Eigenschaften zu verstärken und ungewünschte Eigenschaften zu unterdrücken. Zeigen Nachkommen die gewünschten Eigenschaften in höherem Maße als die Elterntiere, spricht man von einem Zuchtfortschritt. Um dies zu erreichen, werden Zuchtziele für quantitative Merkmale festgelegt und demnach eine Selektion vorgenommen. Um Zuchtziele zu erreichen, stellt ein Zuchtverband ein Zuchtprogramm auf, sammelt Daten der Pferdebewertungen, erfasst und analysiert sie. Dann bereitet er die Bewertungen so auf, dass der Züchter daraus Erkenntnisse für die Zucht ziehen und sinnvolle Anpaarungsentscheidungen treffen kann. Dabei geht es darum, vor allem Erkenntnisse über die Genetik eines Pferdes zu erhalten.
Neben dem äußeren Erscheinungsbild, dem „Phänotyp“, trägt ein Lebewesen die genetische Informationen in sich, den „Genotyp“. Die Genetik beim Pferd zeigt sich im Phänotyp, wenn man von den Umwelteinflüssen (Ernährung, Haltung, Training, Reiter…) absieht. Es gilt die Formel :
Genetik = Phänotyp – Umwelt
In der Zucht ist es entscheidend, was ein Pferd genetisch weitergibt, daher wird mit der Zuchtwertschätzung der Genotyp ermittelt. Die Grundlage für die Berechnung des Zuchtwertes ist beim ApHCG das bisherige Bewertungssystem mit den 6 quantitativen Merkmalen: Gesamteindruck, Bewegungsqualität, Gangkorrektheit, Fundament, Gebäude/Exterieur und Typ/Ausdruck. Quantitativ werden diese Merkmale genannt, weil sie je von vielen Genorten gebildet werden.
Bei der ZWS wird in der Berechnung jedoch nicht nur die Gesamtnote verwendet, sondern es wird eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit der Vererbung der einzelnen quantitativen Merkmale (Typ, Fundament…) möglich.
Die Anwendung in der Zucht
Mit der Nutzung der Zuchtwertschätzung befähigt ein Zuchtverband die Züchtenden zu fundierten und besseren Zuchtentscheidungen, zu solchen Entscheidungen, die mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit zu einem Zuchtfortschritt führen. Der Zuchtwert beschreibt dabei die Wahrscheinlichkeit der Vererbung eines Merkmales. Der Zuchtwert hat nichts mit wertvoll oder wertlos zu tun! Für die Betrachtung des Zuchtwertes ist folgendes zu beachten:
- Ein hoher Zuchtwert für "Grösse" besagt, dass die Gene des Tieres die Größe verstärken. Ein niedriger Zuchtwert für "Bewegung " bedeutet, dass die Gene des Tieres für ein geringeres Bewegungspotenzial in der Nachzucht verantwortlich sind. Welche Qualitäten dieses Tier sonst noch vererbt, ist mit diesem einen Zuchtwert noch nicht beschrieben.
- Wichtig ist aber: Für jedes Merkmal kann die Wirkung der in diesem Pferd vorliegenden Erbanlagen verschieden sein. Es macht für die Zuchtentscheidungen keinen Sinn, die Bewertungen der einzelnen Merkmale zu einem Gesamtwert zusammen zu zählen und/oder sie zu mitteln, wie es für Wettkämpfe oder Leistungsprüfungen Sinn macht.
- Der Zuchtwert ist definiert als die Wirkung der Gene, wenn diese mit den Genen anderer Tiere kombiniert werden. Das heißt konkret, dass nicht die Wirkung der Gene bei dem Tier selbst wichtig ist, nicht seine Leistung im Sport, nicht sein eigener Phänotyp, sondern es interessiert vorrangig was passiert, wenn z.B. die Gene des Tieres mit den Genen eines anderen Tieres der Rasse kombiniert werden. Von Interesse ist also, was in der nächsten Generation durch dieses Zuchttier entsteht.
Um Vererbungsqualitäten eines Pferdes sichtbar zu machen, bedarf es vieler Komponenten und Informationen. Bsp.: Aus welcher Familie stammt es? (Pedigree-Information) Wie hat der Vater bereits mit anderen Stuten vererbt? (Halbgeschwister-Information) Aus welcher Linie stammt die Mutter? Wie hat der Vater der Mutter vererbt?… Und ganz besonders wichtig: Wie hat das Pferd vielleicht schon selbst vererbt? (Nachkommen-Information)
Erst alle diese Informationen zusammen ergeben ein umfangreiches Gesamtbild über den Genotyp des Pferdes. Nur alleine den Phänotyp zu betrachten oder auch die Eigenleistung des Pferdes im Turniersport, reicht für eine erfolgreiche Zucht bei weitem nicht aus! Der Verwandtschaftsgrad bestimmt zudem, in welchem Maße die Wertungen in die ZWS eines Tieres eingerechnet werden. Das heißt: Je näher der Verwandtschaftsgrad, desto ähnlicher sind die Genotypen. Diese Tatsache wird in unterschiedlichen Rechenfaktoren berücksichtigt. Die Wertungen der Eltern und Vollgeschwister fließen zu 50 %, die Wertungen von Großeltern, Enkel und Halbgeschwister zu 25 %... in die Zuchtwerte eines Tieres ein. Es wird beim Berechnen des Zuchtwertes die Erblichkeit des Merkmals (Heritabilität), das Anpaarungsniveau (Qualität angepaarter Pferde), die unterschiedlichen Bewertungsniveaus(unterschiedliche Niveaus in Richterbeurteilungen)und auch die Menge der Informationen berücksichtigt.
Seit 8 Jahren erfasst der ApHCG gezielt die Ergebnisse der Bewertungen in Form von Noten nach einem genau festgelegten Schema bei den Zuchtschauen, Leistungsprüfungen und Körungen. Je mehr Pferde bewertet werden, desto besser und desto reproduzierbarer ist die Aussagekraft der Zuchtwertschätzung, denn diese steigt mit der Zahl der geprüften Tiere proportional an. Der ApHCG arbeitet daher schon lange darauf hin, die Zuchtschauen durch Prämierungen und Championate für Züchter attraktiv zu gestalten, denn jedes vorgestellte Pferd trägt zur Verbesserung der genetischen Einschätzung der Population bei. Auch wenn nun erste Aussagen möglich sind, so ist es wichtig zu sehen, dass es zunächst ein guter Anfang ist. Indem aber immer mehr Zuchtpferde vorgestellt und bewertet werden, wird die Aussagekraft der Zahlenwerte steigen. Alle Züchter sind aufgerufen die Qualität der ZWS mit zu steigern, indem sie alle ihre Pferde vorstellen.
Die strategische Paarung
Die ZWS lässt Rückschlüsse auf die genotypischen Merkmale und die Vererbungsqualitäten von Hengsten und Stuten zu. Sie gibt Auskunft über die genetischen Stärken und Schwächen von Pferden. Mit dieser zusätzlichen Information können Züchter gezielter auf die Verbesserung von Merkmalen hinarbeiten. Denn es ist in der Zucht das Ziel über die Wahl der Paarungspartner die bereits vorhandenen Stärken zu halten bzw. noch zu verbessern, die Schwächen aber zu kompensieren, im besten Fall zu eliminieren. Dieses Prinzip der strategischen Paarung wurde an der Universität in Gießen, von dem damaligen Populationsgenetiker Dr. Beuing in den 90-ziger Jahren entwickelt. In kleinen Populationen können damit enorm große Zuchtfortschritte erzielt werden, insbesondere dann, wenn über die Zuchtwerte Mindestanforderungen an die Verpaarung in der Zuchtbuchordnung definiert werden.
Ganz entscheidend für den praktischen Umgang mit den Zuchtwerten ist eine leichte Interpretierbarkeit. Aus diesem Grund werden die Zuchtwerte auf einen Mittelwert von 100 standardisiert. Ein Zuchtwert von 100 besagt, dass dieses Pferd in der Vererbung im Rassedurchschnitt liegt. Tiere mit einem Zuchtwert über 100 können das Merkmal verbessern, Tiere mit einem Zuchtwerte unter 100 verschlechtern demzufolge das betreffende Merkmal. Ein Hengst oder eine Stute mit einem Zuchtwert in der Bewegung von 120, gibt mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine sehr hohe Bewegungsqualität an Nachkommen weiter.
Zuchtwerte beschreiben lediglich die Vererbung von Pferden in unterschiedlichen Merkmalen. Sie sind nicht dazu gedacht, Pferde allgemein zu bewerten oder zu rangieren. Aus diesem Grund wäre es irreführend, Hit-Listen aus Zuchtwerten zu veröffentlichen. Eine Stute mit einem hohen Zuchtwert im Typ, aber einem durchschnittlichen Zuchtwert für Bewegung, kann z.B. eine ideale Anpaarung für einen Hengst mit überragender Bewegung und Rittigkeit sein, dem es aber ein wenig an Typ fehlt. D.h. Zucht bezieht sich nie einseitig auf Hengst oder Stute, sondern sie sieht immer die Paarungspartner! Dennoch ist für uns ein Pferd natürlich wünschenswert, das in möglichst vielen Faktoren Zuchtwerte über 100 aufweist.
Zuchtplanung mit Hilfe ZWS in der Praxis
Wie eine strategische Planung aussehen könnte, zeigen folgende drei Anpaarungsbeispiele. Hierzu werden reale Pferde des Zuchtbuches des ApHCG ohne Namensnennung virtuell miteinander verpaart.
Im ersten Beispiel wurde ein Hengst (HENGST XY) mit Zuchtwerten in allen 6 Merkmalen über 100 gewählt. Sein niedrigster Wert ist die 102 in der Qualität der Bewegung. Für das Anpaarungsbeispiel 1 wurde ihm virtuell eine Stute (STUTE AB) mit guten Zuchtwerten „zugeführt“, ihr niedrigster Wert ist der Typ mit 86.
Ein * oberhalb eines Wertes des Genstatus bedeutet, dass das dieser Wert aus dem Genstatus von Eltern- oder Großelterntieren resultiert.
Anpaarungsbeispiel 1:
- Zuchtplanung -
Appaloosa Horse Club Germany e.V.
HENGST XY aktuelle ZW: Ges:120; Bew:102; Gkor:141; Fun:115; Ext:115; Typ:122
HB I, Bay, GOLD, BRONZE, SILBER, PLATIN, PSSM N/N, HYPP N/N, HERDA N/N, GBED N/N, MH N/N
Paarung X
STUTE AB aktuelle ZW: Ges:101; Bew:109; Gkor:138; Fun:105; Ext:102; Typ:86
(Z), Black, PSSM N/N, HYPP N/N
Inzuchtkoeffizient der Paarung: 0,00%
Erwartungswerte (Zuchtwerte) der Paarung: Gesamt 111 Bewegung 106 Gangkorrektheit 140 Fundament 110 Exterieur 109 Typ 104
Genstatus der Paarung: monogen rez. Merkmal Allele durch Elternstatus PSSM N/N* HYPP N/N* HERDA - GBED - MH -
Merkmal Zuchtwert unter 100 bzw. über 100

Das Ergebnis aus dem Anpaarungsbeispiel 1 ist ein virtuelles Fohlen mit einem sehr hohen Zuchtwert im Merkmal Gangkorrektheit (140) und mit überdurchschnittlichen Werten in den anderen 5 Merkmalen (Werte zwischen 104 – 111).
Anpaarungsbeispiel 2:
Es zeigt denselben Hengst aus Beispiel 1, diesmal mit einer anderen Stute (STUTE BC). Diese hat einen sehr hohen Zuchtwert im Merkmal Bewegung (118), in den anderen Merkmalen liegen ihre Zuchtwerten unter 100.
HENGST XY aktuelle ZW: Ges:120; Bew:102; Gkor:141; Fun:115; Ext:115; Typ:122
HB I, Bay, GOLD, BRONZE, SILBER, PLATIN, PSSM N/N, HYPP N/N, HERDA N/N, GBED N/N, MH N/N
Paarung X
STUTE BC aktuelle ZW: Ges:86; Bew:118; Gkor:72; Fun:98; Ext:88; Typ:86
STB I, Bay, GOLD, PLATIN, SUPREME CHAMPION, PSSM N/N
Inzuchtkoeffizient der Paarung: 0,00%
Erwartungswerte (Zuchtwerte) der Paarung: Gesamt 103 Bewegung 110 Gangkorrektheit 107 Fundament 107 Exterieur 102 Typ 104
Genstatus der Paarung: monogen rez.Merkmal Allele durch Elternstatus PSSM N/N* HYPP - HERDA - GBED - MH -
Merkmal Zuchtwert unter 100 bzw. über 100

Das Ergebnis aus dem Anpaarungsbeispiel 2 ist ein virtuelles Fohlen mit sehr hohen Zuchtwerten. Das Merkmal Bewegung beim Hengst von 102 und der Stute mit 118 ist mit dem Wert 110 beim Fohlen ausgeglichen. Diese Anpaarung ist als deutlicher Zuchtfortschritt im Blick auf die Stute zu werten, ebenso beim Hengst im Blick auf das Merkmal Bewegung.
Anpaarungsbeispiel 3
Es zeigt die gleiche Stute aus Beispiel 2, diesmal verpaart mit einem Hengst (HENGST ZZ), dessen Zuchtwert in Gangkorrektheit 109 beträgt. In den anderen 5 Merkmalen sind die Zuchtwerte dieses Hengstes unterdurchschnittlich.
HENGST ZZ aktuelle ZW: Ges:93; Bew:65; Gkor:109; Fun:96; Ext:96; Typ:92
HB I, Bay Roan, GOLD, SILBER, SUPREME CHAMPION, Prämienhengst HLP-Score: 8,3, PSSM N/N, HERDA N/N
Paarung X
STUTE BC aktuelle ZW: Ges:86; Bew:118; Gkor:72; Fun:98; Ext:88; Typ:86
STB I, Bay, GOLD, PLATIN, SUPREME CHAMPION, PSSM N/N
Inzuchtkoeffizient der Paarung: 0,00%
Erwartungswerte (Zuchtwerte) der Paarung: Gesamt 90 Bewegung 92 Gangkorrektheit 91 Fundament 97 Exterieur 92 Typ 89
Genstatus der Paarung: monogen rez.Merkmal Allele durch Elternstatus PSSM N/N* HYPP - HERDA - GBED - MH -
Merkmal Zuchtwert unter 100 bzw. über 100

Das Ergebnis aus dem Anpaarungsbeispiel 3 ist ein virtuelles Fohlen mit Zuchtwerten in allen 6 Merkmalen unter 100. Es handelt sich daher um keine vorteilhafte Anpaarung.
Diese 3 Beispiele zeigen die hohen Chancen einer gezielten Anpaarungsplanung, welche die Züchter des ApHCG mit Hilfe der Zuchtwertschätzung fortan durchführen können.
Die persönlichen Zielvorstellungen und Spezialisierungen werden durch die ZWS in keiner Weise eingeschränkt, im Gegenteil. Auch wenn weiterhin Intuition und „Know-How“ gefragt sind, so können Züchter durch die ZWS Zuchttiere in ihrer Vererberqualitäten fundierter und besser einschätzen. Das Arbeiten mit Zuchtwerten dient nachweislich zur Qualitätssicherung und kann auch als Marketingargument dienen. Es wird sich zukünftig sicher positiv auf den Verkauf von Pferden auswirken, wenn sie hohe Zuchtwerte aufweisen können.
Der neue Service des Appaloosa Horse Club Germany e.V.
Im internen Bereich der Verbandshomepage können Züchterinnen und Züchter des ApHCG e.V. fortan die Zuchtwerte aller aktiven Zuchtpferde abrufen. In Zukunft besteht im ApHCG zusätzlich die Möglichkeit sich über die Aussagekraft und Interpretation der Zuchtwerte beraten zu lassen. Des Weiteren können virtuelle Anpaarungsmöglichkeiten mit aktiven Zuchtpferden durchgespielt werden, um Aufschlüsse darüber zu erhalten, welches Pferd für das eigene Zuchttier und das eigene Zuchtziel der ideale Anpaarungspartner sein könnte.
Wir hoffen, dass möglichst viele Züchterinnen und Züchter diesen neuen Service des ApHCG e. V. nutzen und ihre Zucht und damit auch die Appaloosa auf dem Weg zu noch mehr Qualität voranbringen.
Dieser Artikel basiert auf den Vorträgen zur Zuchtwertschätzung von Herrn Peter Pracht und Herrn Dr. Beuing. Wir danken ihnen für die Bereitstellung dieser Informationsquellen. Die Zusammenfassung des Artikels erfolgte durch Britta Schielke, Zuchtleitung, Horst Berg, Zuchtobmann, und Regina Fahle.
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