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In der Praxis sieht man oft „schnelle Hände“;
das heißt, der Zügel wird ohne Vorwarnung und
ruckartig angenommen, so dass das Pferd einen
schmerzhaften Schlag ins Maul erhält, gegen
den es sich nicht schützen kann. Diese Art der
„Zügelführung“ schüchtert das Pferd stark ein,
was sicher auch von einigen Reitern so gewollt
ist. Jedes Zügelsignal ist bei dieser Handhabung
eine Strafe für das Pferd. Es versteht sich von
selbst, dass ein so ausgebildetes Pferd sich nicht
entspannt ist. Wie könnte es auch, wenn es nie
weiß, wann der Schmerz kommt.
Andere Reiter reiten ihre Pferde mit einem ständigen
Kontakt. Das Problem ist hier, dass man
ein außerordentlich guter und einfühlsamer Reiter
sein muss, um einen gleichmäßigen Kontakt
aufrecht zu erhalten, ohne das Pferd zu stören.
Das gelingt schon in der Dressurreiterei nur sehr
wenigen. Der Reiter muss vollkommen ausbalanciert
sitzen und sehr viel Gefühl haben, um
ein Pferd, das mit anstehendem Zügel geritten
wird, nicht ständig im Maul zu behelligen.
Im wirklichen Leben gewöhnen sich die Pferde
an den dauernden Druck der weniger gefühlvollen
Reiter. Sie werden entweder stumpf im Maul
oder beantworten den Druck durch Kopf hochnehmen
oder mit anderen Abwehrhaltungen.
Weil das Pferd nicht gut auf den Zügel reagiert,
muss der Reiter jedoch noch heftiger einwirken,
wenn er das Pferd z.B. durchparieren will – und
so beginnt ein Teufelskreis aus Ziehen beim Reiter
und Gegendruck beim Pferd.
Die Frage ist: Wie bekomme ich ein williges
Pferd mit einem weichen Maul?
Die Antwort lautet:
indem ich gefühlvoll und kontrolliert mit dem
Zügel umgehe und jede richtige Antwort des
Pferdes belohne. Ich nehme also den Zügel an,
und sobald das Pferd nachgibt, gebe ich auch
sofort den Zügel nach. Ja, so steht es auch in
allen Büchern, aber selten machen die Reiter
das so.
In der Praxis ist das Timing des Reiters die häufi
gste Fehlerquelle. Oft ist er zu langsam, d.h.
das Pferd hat schon nachgegeben, aber der
Reiter hält den Zügelanzug weiter aufrecht. So
versteht das Pferd nicht, was es tun soll und
erhält keine Belohnung auf seine richtige Reaktion.
Folgerichtig hört es auf, so zu reagieren;
schließlich bringt es ihm nichts. Ein weiterer
weit verbreiteter Reiterfehler ist, dass der Reiter
genau im falschen Moment nachgibt; nämlich
wenn das Pferd gegen den Zügel geht. Sollte
das Pferd den Zügelanzug mit Gegendruck beantworten,
so muss der Reiter so lange konsequent
den Druck aufrecht erhalten, bis das
Pferd nachgibt.
Es ist wichtig, dass man sich immer wieder in
Erinnerung ruft, dass das Pferd in dem Moment
lernt, in dem ich eine Hilfe wegnehme!
Ein gutes Westernpferd sollte mit minimalen
Hilfen zu reiten sein. Es muss lernen, sich selbst
auszubalancieren und willig auf alle Hilfen zu
reagieren. Wenn das Pferd auf dem Zügel liegt,
ist es immer schlecht ausbalanciert – es lehnt
sich auf die Stütze, die ihm der Reiter im Maul
bietet und ist dadurch mit seinem Gewicht auf
der Vorhand. Dies wiederum bedeutet, dass die
Pferdeschulter blockiert ist und die Hinterhand
weniger trägt, als sie könnte. Das Pferd kann
sich erst ausbalancieren, wenn der Reiter die
Zügel hingibt und ihm die Chance lässt, seine
eigene Balance zu fi nden.
Aber warum fällt es den Reitern so schwer,
die Pferde vorne loszulassen?
Ich glaube, das hat hauptsächlich psychologische
Gründe. Viele Reiter meinen, sie würden
die Kontrolle über das Pferd verlieren, wenn sie
den Zügel hingeben. Das ist allerdings ein großes
Missverständnis. Kein Zügel und kein Gebiss
dieser Welt kann ein Pferd daran hindern, unter
mir wegzurennen oder zu scheuen!
Ich erlange Kontrolle über das Pferd, wenn das
Pferd lernt, willig auf die Hilfen zu reagieren,
wenn es mich versteht, wenn es gerne mit mir
zusammenarbeitet. Ein entspanntes, losgelassenes Pferd, das versteht was es tun soll, wird
ein zuverlässiger Partner, auf den ich mich verlassen kann.
Die amerikanische Trainerin Stacy Westpahl hat eine Freetyle Reining
geritten, in der sie alle Manöver ohne Sattel und Zaumzeug gezeigt hat.
(Auf youtube kann man sich das im Internet anschauen.) Sie beweist
damit eindrucksvoll, dass es keine Frage der Ausrüstung ist, ob man ein
Pferd kontrollieren kann. Die Kontrolle ist eine Folge der richtigen Ausbildung!
Um gefühlvoll mit dem Pferd umgehen zu können, muss der
Reiter balanciert und losgelassen sitzen. Ein zügelunabhängiger Sitz ist
daher unerlässlich, um eine gute Hand zu bekommen.
Gary Marble aus den USA hat bei uns viele Jahre Unterricht gegeben. Er
legte sehr großen Wert auf einen guten Sitz. Er nahm Reitern, die ihre
Pferde nur über die Zügel ritten, diese kurzerhand weg und ließ sie mit
Halsring reiten. Sicher eine Methode, die man nur bei fortgeschrittenen
Reitern anwenden sollte, denn die meisten Reitlehrerversicherungen
werden kein Verständnis für sowas haben.
Das Ergebnis war allerdings beeindruckend:
Die Pferde gingen sofort viel entspannter, die Reiter lernten zu sitzen
und die Pferde über den Sitz zu lenken. Sofort zeigte sich, welche Pferde
über Neck Reining und Gewichtshilfen geritten wurden, denn diese
Reiter hatten auch auf Halsring keinerlei Probleme mit ihren Pferden.
Das Ziel der Westernausbildung ist ein Pferd, das mit minimalen Hilfen
am losen Zügel zu reiten ist.
Dahin kommt man nur, wenn man die Zügel auch im Training
immer wieder loslässt!
Eine aktuelle Diskussion zum Thema finden Sie hier
Autor: Petra Roth Leckebusch für den EWU westernreiter
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