Und
was bedeutet Dir das Amt des Bundestrainers?
Kay
Wienrich: Sehr viel. Ich bin dadurch
auch einmal mehr Vorreiter. Wenn man so will, setze ich damit
meine interessante Biographie fort: Ich war der Erste mit einem
Pferd in den USA (Doc Chex bei der World
Show), ich habe als Einziger bisher die deutsche Reining-Futurity
fünf Mal in Folge gewonnen, und ich gehörte zum ersten deutschen
Reining-Team bei einer Weltmeisterschaft
(2002 in Jerez/Spanien). Hier stellte ich Major Incident vor. Und jetzt bin ich der erste Reining-Bundestrainer. Das alles macht mich natürlich auch
sehr stolz. Und ich sage ganz ehrlich: Wenn später mal mein Foto
als Bundestrainer Reining in den Warendorfer
Eingangshallen hängen würde - und dann auch noch als Erster dieser
Chronik -, das fände ich toll.
Und
für wie lange bist Du als Bundestrainer berufen?
Kay
Wienrich: Meine Berufung gilt bis Ende
2006. Es gibt darüber hinaus eine beiderseitige Einverständniserklärung,
dass wenn dann weiterhin entsprechende Mittel zur Verfügung stehen,
diese Tätigkeit ausgedehnt wird.
Kommen
wir zu den konkreten Regeln bei der WM in Aachen. Die sind etwas
anders als in Jerez, aber wie genau?
Kay
Wienrich: Am 1. September ist der Mannschafts-Wettbewerb
und am 3. September die Einzelentscheidung. Ein Kader besteht
aus 4 Reitern und fünf Pferden. Vier Reiter treten je Nation zum
Mannschaftswettbewerb an, davon wird das schlechteste Ergebnis
je Nation nicht gewertet. Oder andersherum: Je Nation werden die
drei besten Ritte gewertet und zusammenaddiert. Es ist ein Ritt
je Reiter-Pferd-Kombination. Der Mannschaftswettbewerb ist zugleich
die Qualifikation für die Einzelentscheidung zwei Tage später.
Die besten 20 Reiter - unabhängig der Nation - plus ggf. die Tie-Reiter qualifizieren sich für die Einzelentscheidung.
Die wird in einem Ritt ausgetragen, wobei alle Starter quasi wieder
bei Null bzw. 70 anfangen. Es werden also keine Scores mitgenommen.
Theoretisch
ist es also möglich, dass sowohl vier Deutsche im Einzelwettbewerb
antreten könnten, genauso wie es möglich ist, dass hier kein Deutscher
dabei ist?
Kay
Wienrich: Das ist so richtig. Wobei
Letzteres natürlich nicht eintreffen soll und wird.
Was
waren und sind Deine Kriterien für die Berufung der Reiter bzw.
konkret der bestehenden Longlist gewesen?
Kay
Wienrich: Das werde ich natürlich hier
jetzt nicht darlegen. Da gilt es Missverständnisse und falsche
Interpretationen zu vermeiden. Grundsätzlich ist das Kriterium
natürlich: Je besser, umso besser. Bei den Pferden also: Am besten
immer eine 76 oder 77, egal, wer drauf sitzt. Wir suchen nach
Reiter-Pferd-Kombinationen, die im Idealfall kontinuierlich hoch
scoren. Und gleichzeitig gilt es eher
Pferde zu vermeiden, wo die abrufbare Leistung Himmel oder Hölle
sein kann. Da ist das Risiko zu groß. Die Auswahl hängt aber natürlich
auch vom Angebot ab. Habe ich beispielsweise 4 sichere 74er-Pferde,
kann ich natürlich auch eher auf ein riskantes 76er-Pferd verzichten.
Unterm Strich stelle ich fest, dass die uns jetzt zur Verfügung
stehende Auswahl an Pferden im Schnitt besser als bei der WM vor
vier Jahren ist. Und unsere Reiter sind und waren sowieso sehr
gut.
10
Reiter und etwas mehr Pferde stehen auf der veröffentlichten Longlist.
Wann fällt
die endgültige Auswahl?
Kay
Wienrich: Erst einmal: Die Reiter dieser
Longlist sind verbindlich, bei den Pferden
können noch Änderungen passieren. So ist etwa derzeit noch ein
drittes Pferd von Grischa Ludwig im Gespräch. Die Reiter und die
Pferde haben wir auf der Basis ihrer Leistungen bei den diesjährigen
CRI´s und bei der letztjährigen
EM in Manerbio/Italien berufen.Einige
werden wir jetzt noch einmal beim Derby sehen. Mitte Juli haben
wir dann ein einwöchiges Trainingslager in Warendorf. Hier wird
am letzten Tag über die Nominierung entschieden.
Wer
entscheidet darüber?
Kay
Wienrich: Ich mache einen Vorschlag,
über den der Beirat exklusive den Aktivensprechern entscheidet.
Im Falle, dass trotz aller Argumente eine Pattsituation entstehen
würde, gehe ich davon aus, über die entscheidende Stimme zu verfügen.
Was
trainiert ihr in Warendorf? Und wer ist der Trainer?
Kay
Wienrich: Trainer ist Don Boyd. Das wird kein eigentliches Reit-Training. Da geht es
mehr um Mediatraining, Sportpsychologie
und Physiotherapie für das Pferd. Und vor allem um Showmanship.
Also um die Frage, wie kann ich durch excellentes
Showen vielleicht noch einen halben Punkt im Score rausholen.
Ich habe alle Ritte auf Video und auch Videos aus den USA. Und
dadurch entsprechende Vergleiche. Und so werden wir individuell
im Feinschliff an einzelnen Manövern arbeiten.
Jürgen
Klinsmann betont für die Fußball-WM die Bedeutung von Teamspirit
und körperlicher Fitness. Wie sieht es damit für das deutsche
Team aus?
Kay
Wienrich: Das ist auch für uns sehr
wichtig, wobei unsere Reiter ohnehin fit sind. Aber Teamgeist
ist auch für uns von großer Bedeutung. Also auf die Belange der
anderen einzugehen und sich gegenseitig zu unterstützen.
Und
wie geht es nach dem Trainingslager in Warendorf weiter?
Kay
Wienrich: Am Sonntag vor der WM treffen
wir uns alle in der Nähe von Düsseldorf. Am Dienstag reisen wir
nach Aachen an. Dann kommt der Veterinär-Check und dann geht es
los.
Und
wenn was beim VET-Check passieren würde…?
Kay
Wienrich: ...Dann springt das Ersatzpferd
ein.
Und
auf welche Medaille dürfen wir hoffen?
Kay
Wienrich: Das kann ich nicht sagen.
Wir versuchen, das Beste möglich zu machen. Realistisch, wenn
uns das Glück hold ist, ist Bronze zu machen. Das ist mein Ziel
und das wäre ausgesprochen gut. Ich denke, dass wir mit Italien
konkurrieren können, aber etwa auch Österreich und Belgien sind
nicht zu unterschätzen. Überhaupt versuchen ja auch alle anderen,
ihr Bestes zu geben. Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.
Für mich ist es vor allem wichtig, alles optimal getan zu haben,
was uns möglich ist. Dann wird es auch schon nicht schief gehen
und wir werden was Zählbares erreichen. Wir visieren also Bronze
an und ich denke schon, dass was in dieser Richtung passiert.
Welche
eigene Erfahrung als Aktiver bei einer WM kannst Du den Reitern
mit auf den Weg geben?
Kay
Wienrich: Sich nicht an Anderen und
deren Leistung zu orientieren, sondern das eigene Potential möglichst
optimal auszuschöpfen. Dann haben wir gute Chancen, den anderen
das Leben schwer zu machen.
Und
welcher Score wird bei der WM in Aachen Gold bedeuten?
Kay
Wienrich: Das ist nicht zu beantworten.
Das hängt von zu vielen Faktoren ab. Etwa von den Richtern: Scoren die hoch, wird es vielleicht eine 227, scoren die Richter eher konservativ, reicht vielleicht auch
eine 222 für den Sieg.
Lieber
Kay, wir drücken Dir und Deinem Team ganz fest die Daumen.
Vielen
Dank für das interessante Gespräch.
Das
Interview führte Jörg Brückner.
Mit freundlicher Genehmigung vom westernreiter
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