Wenn
Sie den Eindruck haben, Ihr Tierarzt habe sich in letzter Zeit Ihnen
gegenüber verändert – Sie könnten damit Recht haben.
Keine Sorge, Grund dafür ist keine vergessene Rechnung, sondern
höchstwahrscheinlich die Tatsache, daß Sie Westernreiter sind und
Ihr Tierarzt an der Merial-Tierärztefortbildung Mitte September
in der Tierklinik Leichlingen teilgenommen hat.
Auf diesem Kongress, zu dem rund 120 Fachtierärzte anwesend waren,
war auch der FN-Bundestrainer für Reining und NRHA-Präsident Kay
Wienrich geladen, um das Thema Westernreiten vorzustellen. Das tat
er auch, allerdings auf nachhaltigere Weise, als man befürchten
mag.
Der gelernte Einzelhandelskaufmann, der seit 2006 als bislang Einziger
das Amt des Bundestrainers innehat, versuchte eingangs noch, einen
kurzen Überblick über das Verbandswesen und die Disziplinen des
Westernreitens zu geben, nam aber dann Fahrt auf und kam schnell
auf die „tolle Stimmung“ auf den Westernturnieren zu sprechen.
Diese „tolle Stimmung“ demonstrierte er dann plastisch und hautnah
mit einem Videoclip des Finalritts von Shawn Flarida auf der NRHA
Futurity 2009 auf Gunnatrashya, einem dreijährigen Hengst.
So spektakulär ein Westernreiter diesen Ritt auch finden mag –
die anwesenden Tierärzte waren weniger von der Stimmung beeindruckt
als von den Belastungen, dem ein dreijähriges Reiningpferd ausgesetzt
ist, und so machten sie während der Vorführung von Kay Wienrich
im Geiste schon eine Anamnese („Fesselträger? Gleichbein? Rücken?
Oh Gott!“).
Und auch Kay Wienrichs Einwand, auf der Futurity ständen immer
zwei mobile Tierkliniken zur Verfügung, beruhigte die anwesenden
Tierärzte nicht spürbar. Sie gewannen vor allem einen Eindruck
davon, wie groß der Verschleiß an jungen Pferden in diesem Sport
zu sein scheint und die entsprechenden Krankenakten der älteren
Tiere aussehen müssen.
Kay Wienrich, dessen letzter sportlicher Höhepunkt nach eigenen
Angaben im Jahr 1989 mit der Teilnahme an der AQHA World Show
lag, bestätigte die Befürchtungen der Tierärzte sogar, indem er
nach dem Videoclip über die Entwicklung des internationalen Reiningsports,
vor allem auf FEI-Ebene dozierte.
Sechsjährige oder gar ältere Reiningpferde, die gäbe es quasi
gar nicht – „so lange halten die meisten gar nicht“, wird der
Bundestrainer zitiert. Vielleicht war es ehrlich, aber auf keinen
Fall hilfreich.
Fazit: Am Ende des Vortrages konnte keiner der Anwesenden dem
Westernreiten noch etwas Positives abgewinnen, zumindest nicht
auf Grundlage des durch den Bundestrainer dargebotenen Vortrages,
berichten anwesende Tierärzte.
Warum er sich nicht mit seinem Vortrag an seine erfolgreichen
und unterhaltsamen Vorführungen auf der Equitana 2009 oder 2011
("Westernreiten - ein vielseitiger Sport") orientiert hat, bleibt
sein Geheimnis.
„Reining als Reitdisziplin kann mittlerweile auch international
auf gleicher Augenhöhe wie die hier bekannten Disziplinen Dressur,
Springen, Vielseitigkeit und Voltigieren agieren“, hat Kay Wienrich,
der sich bereits im jungen Alter von neun Jahren das Reiten selber
beibrachte, mal in einem Interview gesagt.
Zu befürchten ist, daß er das tatsächlich glaubt.
Zu befürchten ist auch, daß in Zukunft Quarter Horses bei den
Tierärzten wieder als „Hufrollenpferde“ abqualifiziert werden.
Es hat Jahre gedauert, dieses Image loszuwerden – es hat keine
Viertelstunde gedauert, um diese Bemühungen zu untergraben.
Welch ein Bärendienst!
28. Oktober: Co-Referent nimmt Kay Wienrich in Schutz
Erstmals reagiert die NRHA Germany öffentlich zu dem o.g.
Bericht und lässt nun einen der Co-Referenten der von dem
Pharmaunternehmen Merial organisierten Fortbildungsveranstaltungen,
den Priv.-Doz. Dr. Claus P. Bartmann, Fachtierarzt für Reproduktionsmedizin
und für Pferde, Stellung beziehen.
Dr. Bartmann empfand, entgegen der Einschätzung anderer anwesender
Tierärzte, die Ausführungen von Kay Wienrich als "richtungsweisend"
und "Werbung für das Westernreiten".
Die Stellungnahme von Dr. Bartmann zum Vortrag von Kay Wienrich
auf der Merial Road Show im Detail:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
im Rahmen der diesjährigen Road Show der Firma Merial in
Zusammenarbeit mit verschiedenen Pferdekliniken in Deutschland
und Österreich war ich neben Frau Professor Dr. Heidrun Gehlen,
Frau Dr. May Reininghaus und Herrn Kay Wienrich Referent bei allen
der insgesamt fünf Veranstaltungen im September und Oktober
2013.
An den Veranstaltungen nahmen jeweils, nach meiner Schätzung,
zwischen 90 und 180 Tierärztinnen und Tierärzte teil,
die mit Schwerpunkt im Bereich der Pferdemedizin tätig sind,
viele darunter auch mit der Qualifikation eines Fachtierarztes
für Pferde.
Auf diese Weise hatte ich somit Gelegenheit, Herrn Wienrich persönlich
kennen zu lernen und seinen Ausführungen zum Thema „Einblicke
in den Westernsport“ wiederholt folgen zu können.
Es ist mir nicht entgangen, dass in Folge dieses Vortrags nun
öffentlich der Vorwurf geäußert wurde, dieser
hätte dem Ansehen des Westernreitens wesentlich geschadet
und zu einem Imageverlust geführt. Vor allem soll den anwesenden
Tierärzten nachhaltig der Eindruck eines in erster Linie
pferdeschädlichen Sports vermittelt worden sein, der keinen
Wert auf die Gesunderhaltung des Pferdes zu legen scheint.
Dieser Auffassung kann ich mich nicht anschließen.
Für einen in der Pferdemedizin tätigen Tierarzt dürfte
es kaum eine Überraschung sein, dass eine in Bezug auf das
Lebensalter und den körperlichen Entwicklungszustand vergleichsweise
frühe und intensive Trainingsbelastung und Nutzung im Spitzensport
die Entstehung gesundheitlicher Probleme begünstigen kann.
Dies ist natürlich keinesfalls nur, aber auch im Zusammenhang
mit der Ausbildung von Reiningpferden immer wieder Diskussionspunkt.
Gleichzeitig legen allerdings viele im Westernreiten aktive Reiter
sehr wohl Wert darauf, dass ihr Pferd auch mit zunehmendem Lebensalter
klinisch gesund bleibt und damit nachhaltig reiterlich genutzt
werden kann, auch aus Gründen der Ethik und des angewandten
Tierschutzes.
Es gehört zu den Aufgaben und zum Berufsverständnis
des Tierarztes, Krankheiten nicht nur zu heilen, sondern auch
zu verhüten. Daher entspricht die Auseinandersetzung mit
der Art und Weise der Nutzung eines Pferdes auch dessen Berufspflicht,
ohne dass grundsätzlich die Nutzung oder der Gebrauch des
Pferdes auch zu Sport- und Freizeitzwecken in Frage gestellt werden
soll.
Es scheint daher angemessen und in der Verantwortung aller Beteiligten,
zum Wohl des Pferdes, aber auch des gesamten Pferdesports, sich
im Umgang mit dem Pferd unter Wahrung bewährter Verfahren
und Methoden, aber auch aktueller Erkenntnisse stets kritisch
zu überprüfen und nach Möglichkeit angemessen zu
verbessern.
Gerade in dieser Hinsicht fand ich die Ausführungen von Herrn
Wienrich nicht nur sehr informativ, sondern durch seine offene,
natürlich dabei auch kritische Betrachtung, vor allem richtungsweisend.
Dies gilt auch für die von ihm aufgeführten Bestrebungen
und das Engagement der NRHA. Angesprochen wurde auch, dass mit
der Aufnahme des Reining als FEI Disziplin Medikationskontrollen
auch im internationalen Bereich eingeführt werden.
Seine eigene Begeisterung und sein Eintreten für das Westernreiten
konnten dem Auditorium dabei kaum entgehen und wurden auf jeder
der Veranstaltungen mit anhaltendem Applaus honoriert. Nicht zuletzt
stellte er sich in den jeweils folgenden Diskussionen einem kritischen
und zahlenmäßig umfangreichen Fachpublikum, das sehr
wohl auch mit durch den Gebrauchszweck und die Ausbildung von
Pferden im Spitzensport möglichen physischen und psychischen
Problemen vertraut ist.
Somit hat Herr Wienrich aus meiner Sicht dem Westernsport oder
der Disziplin Reining sicherlich keinen „Bärendienst“
geleistet, sondern auf ausgesprochen positive Art und Weise Werbung
für das Westernreiten betrieben."
Übrigens: Zur Erläuterung noch die Definition von Bärendienst
hier...