Wer in diesen Tagen die Nachrichten und Diskussionen über das geplante europäische Reining-Zuchtprogramm der European Federation of Reining Horse Association (EFRHA) verfolgt, findet zwangsläufig Parallelen zu den Vorkommnissen rund um die Freihandelsabkommen TTIP (EU - USA) oder CETA (EU - Kanada).
Transparenz, demokratische Prozesse und Mitwirkungsrechte heißen da die Stichworte.
Und so wurde Anfang dieser Woche durch ein Interview von Gerd Wilhelm, zweiter Vorsitzender der NRHA Germany, ein Sturm vor allem auf facebook entfacht,
den man angesichts der Vorgeschichte und der Tragweite des Inhaltes durchaus hätte voraussehen können.
Worum geht es bei EFRHA und dem gemeinsamen Zuchtprogramm für Reiningpferde?
Die European Federation of Reining Horse Association (EFRHA) und das geplante europäische Zuchtprogramm können synonym verwendet werden, denn Ziel der EFRHA ist es, die unterschiedlichen Zuchtprogramme in Europa in ein einziges, gemeinsames Programm zu überführen.
Zunächst sollen dazu die drei wichtigsten Zuchtprogramme Europas, das Stallion Service Program der NRHA Germany, die IRHBA in Italien und das European Foal Nomination Programm der NRHA USA darin verschmolzen werden.
Das sind die Gründe für ein europäisches Zuchtprogramm
Im Grunde geht es ums Geld: Durch die züchterische Talsohle hat sich die Geldquelle des SSP-Zuchtprogramms der NRHA Germany, die Anzahl der einbezahlten Hengste, in den vergangenen zehn Jahren halbiert, sagt Gerd Wilhelm. Alternative Einnahmequellen, wie eine zusätzliche Einbezahlung der Fohlen, wie es die DQHA vormacht, wurden bislang verworfen.
Um aber weiterhin hohe Preisgelder ausschütten zu können, sollen die nationalen Zuchtprogramme zusammengefasst werden.
Welche Ziele verfolgt die EFRHA mit dem Zuchtprogramm?
Kurz und knapp:
- Kosteneinsparungen durch die Zusammenlegung der Zuchtprogramme (Organisation der Programme und Turniere wie Futuritys/ Derbys)
- Reduzierung der Turniertermine von mehreren nationalen Futuritys/ Derbys auf "zwei überragend grosse Shows in Europa"
Das ist der aktuelle Stand der Entwicklungen
Wie Gerd Wilhelm in einer Stellungnahme erläutert, wurde bereits im März diesen Jahres ein "Letter Of Intent" zwischen verschiedenen europäischen Reiningverbänden zu diesem neuen Zuchtprogramm geschlossen.
Damit wurde später, im Mai 2016, bei der NRHA USA die Zustimmung zur Verschmelzung des European Foal Nomination Programs (Euro-Futurity, Euro-Derby) auf das EFHRA-Programm erwirkt.
Indes - dieser aktuelle Stand, so wie er von Gerd Wilhelm kommuniziert wird, besagt noch nichts Entgültiges, im Gegenteil:
Ein "Letter of Intent" stellt zunächst nur eine Absichtserklärung dar, entweder als unverbindliche Absichtserklärung, die lediglich bestätigt, dass die Parteien des LoI in Vertragsverhandlungen stehen,
oder als "harter Letter of Intent", der zwar rechtlich bindende Erklärungen enthalten kann, aber noch keinen Vorvertrag darstellt.
Etwas anderes - und vor allem nichts Verbindlicheres, kann ein Verbandsvertreter ohne das Votum und den Auftrag seiner Mitglieder auch kaum abgeben,
besonders im Fall von Gerd Wilhelm. Er befindet zwar sich auf allen Seiten der Theke gleichzeitig - er ist 2. Vorsitzender der NRHA Germany, Delegierter im European Affiliate Council der NRHA USA und einer der derzeitig drei Vorstände der neuen EFRHA.
Aber in der EFRHA sitzt er derzeit - wie auch seine beiden anderen Kollegen, Francois Zurcher (CH) und Roberto Cuoghi (IT), nur als Privatperson, da die NRHA Germany noch keinen offiziellen Beitritt beschlossen und vollzogen hat.
Welche Kritik gibt es an der EFRHA und dem Zuchtprogramm?
1.) Weniger Auswahl für die Züchter, weniger Präsentationsmöglichkeiten für Reiter und Sponsoren
Nicht ohne Grund wird EFRHA heftig diskutiert, denn eine Zusammenfassung verschiedener nationaler Zuchtprogramme bedeutet zwangsläufig für die Züchter weniger Auswahl, für die Reiter weniger Möglichkeuten, sich zu präsentieren
und für Sponsoren weniger Promotionsmöglichkeiten.
Denn die Grundlage für EFRHA ist die Überzeugung einer kleinen Gruppe, daß der Aufwand von Mehrfacheinzahlungen von Hengsten und Pferden in verschiedene Zuchtprogramme wie NRHA SSP, Euro-Futurity oder IRHBA auf die Mehrheit der Reiningreiter in Europa zutrifft.
Es darf also, vor allem hinsichtlich kleinerer Reiningverbände, durchaus bezweifelt werden, daß alle Reiningzüchter udn -Reiter den internationalen Markt im Fokus haben.
Kleine, nationale Zuchtprogramme bieten gerade sowohl kleineren Züchter die Möglichkeit, ihre Hengste und Nachzucht auf einem homogenen, nationalen Level
zu promoten wie auch den Reitern, sich dort zu präsentieren.
Eine Verschmelzung auf eine große, europäische Ebene birgt nicht nur die Gefahr, daß sich dort eine kleine Anzahl von Vererbern durchsetzt, sondern daß der Einfluß von US-Hengstes sich wieder verstärkt.
2.) Mehrkosten durch Fohlennominierung
Kritisch hinterfragen muss man die Aussage von Gerd Wilhelm, daß die Kosten für Züchter und Besitzer von Reiningpferden tatsächlich sinken werden: Eine Verschmelzung nationaler Zuchtprogramme bedeutet nicht automatisch die Addition der Preisgeldsummen.
Sollen also die Preisgeldsummen tatsächlich attraktiver werden, ist die Fohlennominierung bei EFRHA ein zentraler Bestandteil. Für die deutschen Züchter sind also konkrete Mehrkosten zu erwarten, denn anders als bei der SSP der NRHA Germany werden sie in Zukunft auch Fohlen in das Zuchtprogramm einbezahlen müssen.
3.) Die großen Nationen bestimmen über die kleineren
Nicht zuletzt wird die politische Vorgehensweise zur Gründung und Führung der EFRHA kritisch betrachtet: Die Aufgabe von gewachsenen, nationalen Zuchtprogrammen wie z.B. der Breeders Futurity in eine European Futurity
bedarf einer ausgesprochen demokratischen Willensbildung, die nur durch das Votum der Mitglieder der einzelnen Reiningverbände geschehen kann.
Wenn der EFRHA-Vorstand zudem in Zukunft proportional zur Anzahl der Mitglieder eines nationales Verbandes gestaltet wird, bestimmen weiterhin die mitgliedsstarken Verbände.
Beispiel Ausschüttungsmodus: Wie unterschiedlich Reiningsport in Europa definiert wird, lässt sich in dem geplanten Ausschüttungsmodus ablesen:
Dreijährige Reiningpferde erhalten 45% der Preisgeldes, vierjährige noch 33%, während auf den Derbys noch 22% ausgeschüttet werden. Eine Verteilung, die nicht überall in Europa bevorzugt wird.
4.) Falsche Ausgangsvoraussetzungen
Gesetzt dem Fall, die US-amerikanische Infrastruktur im Reiningsport wäre tatsächlich mit der europäischen zu vergleichen, weswegen es Sinn ergeben würde, "nach amerikanischem Vorbild zwei überragend grosse Shows" in Europa zu organisieren:
Die Realität sieht anders aus, denn in den USA existieren unzählige Futuritys und Derbys in den einzelnen Bundesstaaten. SWRHA Futurity, North Central Reining Futurity, Northeast Reining Horse Association Futurity, Great Plains Futurity uvm.
Wenn die USA also Vorbild sein sollen, dann ist der nun geplante Weg genau der falsche.
Wie geht es jetzt weiter?
Vor diesem Hintergrund sind die beiden geplanten Infoveranstaltungen am 12. November und 17. Dezember 2016 sicherlich gut gemeint, aber kaum entscheidend, denn erst die nationalen Mitgliedsverbände
lassen die Idee von EFRHA und dem neuen Zuchtprogramm tatsächlich Realität werden.
Darüber entscheiden aber nicht Einzelpersonen oder kleine Gruppen, sondern einzig und allein das oberste Organ eines Vereins, die Mitgliederversammlung.
Und bis dahin haben nicht nur die Mitglieder jedes nationalen Verbandes Zeit, sich über das Für und Wider der Idee eines europäischen Zuchtprogramms eine Meinung zu bilden.
Zeitlicher Ablauf
November 2015: Vorgespräche zu einem Zuchtgespräch werden zwischen NRHA Germany; NRHA France und IRHA Italien geführt
März 2016: "Europäisches Zuchtprogramm für Reiningpferde" wird den europäischen NRHA-Affiliates vorgestellt
März 2016: Auf der Jahreshauptversammlung der NRHA Germany wird das nicht thematisiert
24. Mai 2016: NRHA vergibt Organisation von European Futurity und European Derby an neuen europäischen Reiningverband
15. Juni 2016: Mitglieder der europäischen Reiningverbände überrascht über die Gründung eines neuen Dachverbandes
18. Juni 2016: Neuer Dachverband EFRHA wird bekannt gegeben
25. Oktober 2016: Interview mit Gerd Wilhelm löst kontroverse Diskussionen aus
27. Oktober 2016: Zweiter Infotermin wird bekannt gegeben - am 17. Dezember, der Samstag vor Weihnachten