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„People Cutting“: Lauffreudige Menschen gesucht!
Unter People Cutting versteht man ein Training, in
dem ein Mensch ein Rind simuliert. Auch bei dieser
Trockenübung gibt es verschiedene Dinge, die es zu
beachten gilt. Eine Tonne und einige Pylone markie-
ren die Herde in der Mitte der Reitbahn. Auf dem
ersten Zirkel um diese Tonne herum befindet sich das
Pferd und auf dem zweiten größeren Außenzirkel läuft
ein Mensch. Schön wäre es, wenn diese „Kuh“ nicht
einfach als Mensch läuft, sondern einen Holzrahmen
tragen würde, auf dem sich ein „Kuhkopf“ und ein
„Schwanz“ befände. Diese Attrappe lenkt das Auge des
Pferdes vom Menschen ab. Die Silhouette vergrößert
sich. Der Mensch, der diesen Holzrahmen trägt und
„lauffreudig“ sein sollte, simuliert die typischen Bewe-
gungen eines Rindes vor dem Pferd. Er läuft mit dieser
Attrappe auch rückwärts, kann exakt zuerst mit dem
„Kuhkopf“ drehen, dann mit dem Körper hinterher. Mit dem Holzrahmen kann man den Kuhkopf heben
und senken – wie eine richtige Kuh. Wichtig dabei ist, dass das Pferd auf seinem Zirkel in einer Außenstel-
lung mitläuft, um die „Kuh“ im Auge zu behalten, und
auf die Drehung gut vorbereitet wird (siehe „Arbeit
mit einem Pylon“).
Es geht in erster Linie um die Verbesserung der reiter-
lichen Hilfen, um die richtige Positionierung und den
korrekten Sitz. Des Weiteren lernt der Reiter zusam-
men mit seinem Pferd alle Bewegungsmuster, die er
später bei einem echten Rind benötigt: Konsequentes
Anhalten, gerades Rückwärtsrichten mit gebogenem Pferd, Stellung und in die Bewegungs-
richtung gebogen das Pferd auf der
Hinterhand mit Rückwärtstendenz zu
drehen (180 Grad), um dann wieder
der Kuh zu folgen. Der Reiter lernt
den richtigen Sitz im Stopp und dass
er beim Herausreiten aus dem Stopp
in der Drehung ein wenig mit dem
Oberkörper folgen muss. Er lernt
außerdem die Zirkelposition um eine
Herde. Während dieser Aktion befinden sich die Beine am Pferd und die
Hand ist immer bereit nachzugeben. Alles dieses kann man beim People
Cutting üben. Aber auch hier gilt: Bitte langsam, wie in Zeitlupe reiten!
Eine Reiter-Pferd-Kombi spielt die „Kuh“
Als Nächstes hätten wir eine abge-
wandelte Form von People Cutting. Bei dieser Trainingsart nutze ich ein
zweites Pferd-Reiter-Paar, um einfach
den Gegenpart zu haben. Das erste
Trainingsziel muss heißen: „Wie muss
ich mich positionieren?“; „Wie lenke
ich mein Pferd, dass ich in eine gute
Position komme?“ Für ein erfahrenes
Pferd sind diese Trockenübungen we-
niger von Nutzen, für den Reitschüler
können diese Dinge sehr wichtig sein. Er muss oft erst den richtigen Sitz
plus die entsprechende Hilfengebung
erlernen. Die zwei Reiter-Pferd-Paarungen be-
finden sich in einem Abstand von etwa
zwei bis fünf Metern auf zwei parallel
verlaufenden Linien. Diejenige Paa-
rung, die das Rind simulieren soll, geht
mit dem Pferd auf der einen geraden
Linie, hält es an, richtet es rückwärts, dreht um und geht in die andere Rich-
tung. Das kann auch mal im Trab sein, dann ebenfalls stoppen, rückwärts
treten und umdrehen. Das andere Paar
(= das tatsächliche Pferd-Reiter-Paar)
macht diesen Ablauf synchron, jedoch
spiegelbildlich mit. Hierbei wird das Auge (und noch so
einiges mehr) des Reiters geschult. Der Reiter lernt, nach etwas Anderem
zu schauen, während er trotzdem sein
Pferd mit korrekter Hilfengebung rei-
tet. Er lernt, seinen Körperteil „Hals“
gezielter einzusetzen. Es ist nämlich
gar nicht so einfach, beim Umdrehen
nur den Hals und nicht die Schulter
(mit) zu drehen. Sobald der Reiter die
Schulter mitbewegt, verdreht sich auch
der Oberkörper und der Reiter knickt
fälschlicherweise vielleicht sogar in der
Hüfte ein. Daher sollten alle Reiter auf einen geraden Sitz ohne Eindrehen der
Schulter achten! Anderenfalls sendet
er Körpersignale an sein Pferd, die ge-
nau das Gegenteil von dem bewirken, was er eigentlich wollte. Außerdem ist
es eine lieb gewordene Angewohnheit, immer wieder zu seinem Pferd zu
schauen, anstatt auf andere Dinge zu
achten. Daher baue ich diese Übung
gerne in das Training ein, denn auf diese Art und Weise sind die Reiter
gezwungen, ihre Umgebung sehr ge-
nau im Auge zu behalten, während sie gleichzeitig reiten, also Hilfen geben.
Ein Ziel ist es in jedem Fall, den Sitz
zu festigen und die Hilfengebung zu
verbessern. Ideal wäre es, wenn der
Reiter möglichst wenig Zügel einset-
zen müsste. Jetzt jedoch wollen wir
dem Pferd diesen Ablauf erklären, also darf der Reiter die Zügelhand
nehmen, allerdings mit einer breiten
Zügelführung. Mit dem „Kuh-Seiten-
Zügel“, dem Stellungszügel, führe ich
dem Pferd die Nase zum Rind hin, und der andere Zügel, der Führungs-
zügel, hält das Pferd davon ab, zu
diesem zu drängen, und somit eine
Vorwärtsbewegung in Richtung Rind
zu machen.
Was muss der Reiter mit seinem Sitz
machen? Er muss sich auf die Rück-
wärtsbewegung einstellen, indem
er sich ein wenig rund im Rücken macht, ein bisschen mit Gewicht in
den Bügel „arbeitet“, um das Pferd zu
motivieren, und dann darauf achtet, dass er mit seiner Schulter waagerecht
bleibt. Einer der häufigsten Fehler ist
es, dass die Schulter des Reiters schon
Richtung Rind „hängt“ und damit
die entsprechende Pferdeschulter
negativ beeinflusst. Das Pferd kann durch diese Gewichtsverlagerung dazu
animiert werden, zum Rind zu treten. Im Training wirkt man dem entgegen, indem man die innere Zügelhand
(= der Stellungszügel) etwas höher
hält, während die äußere etwas tiefer
steht. Bitte immer darauf achten, dass
das Pferd die Nase zur Kuh gestellt
hat. Achtung! Die Reiterschulter
muss dabei waagerecht bleiben. Dann
kommt das Rückwärtsrichten. An-
fangs genügen ein, zwei Tritte. Bei älteren, ausgebildeten Pferden können wir mehr verlangen, müssen es aber nicht, das hängt vom Pferd ab! Hierbei sitzt der Reiter etwas zurück, so dass das Pferd nach hinten unter sein Gewicht tritt. Anschließend würde die Drehung folgen. Zuvor sollte das „Rind“ (zum Beispiel die andere Reiter-Pferd-Paarung) ein paar Tritte rückwärts gehen. Erst aus dieser Position heraus geht es in die Drehung hinein. Diese Drehung hat im Idealfall auch noch eine Rückwärtstendenz. Der Reiter versucht, das Pferd über die Zügelführung noch mehr rückwärts zu bekommen und hilft ihm dabei mit seiner Gewichtsverlagerung. Sobald sich das Pferd mit der Nase auf der Höhe des „Rindes“ befindet, kommt der neue Schenkel, der jetzt praktisch das Pferd von dem
Rind wegdrückt. Dieses Bein wird zum „Kuhbein“, das heißt, das ist wieder das Bein, das Richtung „Rind“ zeigt. Mit diesem Bein drückt man vorne am Gurt, damit das Pferd mit der Schulter weg von der Kuh kommt. So erreichen wir eine komplette 180-Grad-Drehung. Jetzt wird der Reiter im Sitz aktiv und kann durch Anspannen der Rückenmuskulatur das Pferd vorwärts reiten oder – wie von mir bevorzugt – mit etwas vorgehendem Oberkörper das Pferd nach vorne aus der Drehung reiten. Das ist auch der Grund, warum wir jetzt, nach der Pylonenübung, auf einer geraden Linie üben. Nur bei 180 Grad auf der geraden Linie kommt das Pferd jedes Mal wieder in die optimale Position zur Kuh zurück.
Mit dem richtigen Körpereinsatz dem Pferd helfen
Ideal ist immer, die 180-Grad-
Drehung genau parallel zu dem Rind
zu vollführen. Anschließend geht es in
die andere Richtung weiter.
Der Reiter kann ein wenig mit dem Oberkörper vorgehen, um dem Pferd das Vorwärts zu signalisieren, die Schenkel sind am Pferd, und zwar beidseitig gerade, denn es geht ja geradeaus. Der Reiter hält dabei einen leichten Druck an seiner Wade, damit das Pferd zwischen den Beinen bleibt. Sobald die Kuh stehen bleibt, nimmt der Reiter diesen Druck weg, kann gleichzeitig etwas Gewicht in den Bügeln haben, der Absatz ist tief durch einen ausbalancierten Sitz, er „denkt“ rückwärts und dreht wieder in die neue Bewegungsrichtung zusammen mit dem Rind. Während der Drehung geht der innere Zügel (= Stellungszügel) ein bisschen höher, der äußere Führungszügel führt etwas zurück. Dann geht es wieder in die neue Richtung los, der Reiter signalisiert dies wieder mit einem vorgeneigten Oberkörper, beide Beine sind am Pferd, er „hält“ sein Pferd quasi zwischen den Schenkeln. Sobald es zum Stopp kommt, setzt er sich mit dem Oberkörper etwas zurück, bringt etwas Gewicht in die Bügel usw. Ganz wichtig dabei ist, dass der Reiter beim Stopp seine Beine als Stoßdämpfer benutzt und nicht einfach in die Bügel und in den Sattel „plumpst“. Man muss es sich so vorstellen, als wenn man von einem Mäuerchen runterspringt und mit den Beinen am Boden abfedert, sowohl mit der Wade als auch mit dem Oberschenkel. Genauso ist das jetzt hier. Nun sind unsere Pferde nicht alle gleich in der Intensität ihrer Bewegung, das heißt, der eine Reiter muss einen sehr runden Rücken machen, um auch mit der Wirbelsäule abzufedern, der andere kann relativ gerade bleiben, da sein Pferd weich zum Sitzen ist. Ob viel Gewicht im Bügel beim Stopp besser ist oder nicht, hängt alles von der Bewegung und der Geschwindigkeit ab und ist von Pferd zu Pferd – und von Reiter zu Reiter – sehr unterschiedlich. Durch mehr Gewicht im Steigbügel kann der Rücken des Pferdes entlastet werden, da viele Pferde noch zu wenig Rückenmuskulatur haben. Diese „Hilfe“ ist bei
einigen Pferden schon vorher trainiert worden, so verstehen sie die Stopphilfe sehr gut an den Rindern und bleiben länger motiviert im Training.
„Turn on the fence“:
Am Zaun oder an der Bande entlang
Man kann auch sogenannte
„fence-turns“, und zwar ohne Rind
trainieren, um Sitz und Hilfengebung
einzustudieren und zu festigen. Der
Zaun ist eine willkommene optische
Begrenzung. Man reitet das Pferd erst
parallel, dann bewusst an den Zaun
heran, der Zaun gibt die Richtung vor
und ähnlich wie bei einem „roll-back“
übernimmt der Zaun die weitere
Führung, so dass das Pferd lernt, in
der gewünschten Geschwindigkeit
umzudrehen. Ob wir nun ohne Rind oder mit einem Menschen am Boden („people cutting“) oder einer Pferd-Reiter-Paarung, die eine „Kuh“ simuliert, üben oder ob wir ein echtes Rind vor uns haben, der Bewegungsablauf ist immer derselbe und muss uns ins „Blut“ übergehen, das heißt, der Reiter sollte darüber nicht mehr nachdenken müssen. Das Pferd geht parallel zu der Bande. Der Reiter leitet einen Stopp ein, und die Drehung mit dem Zügel, der zur Bande zeigt, folgt während des Stoppens. Dabei darf der Reiter ruhig etwas Gewicht in die Bügel bringen, um den Pferderücken zu entlasten. Nochmals: Erfahrungsgemäß fehlt den meisten Pferden eine ausreichende Rückenmuskulatur. Sitzt der Reiter nur schwer ein, kann es sein, dass einigen Pferden nach dem Training der Rücken weh tun. Resultat ist dann, dass diese Pferde nicht gerne anhalten, sich wehren und gegen die Hand gehen. Mit dem Gewicht im Bügel kann der Reiter den Rücken bzw. die Nierenpartie des Pferdes etwas entlasten.
KONTROLLE: Bei der
Drehung auf der geraden
Linie sollte sich zwischen den
zwei Pferde nasen immer noch
derselbe Abstand befinden wie am
Anfang der Übung – sonst hatten
die Reiter zu viel Vorwärtsbewe-
gung in der Drehung.
Westernreiten:
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