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Die Aufgabe heißt „Trailern“
Das ängstliche und unerfahrene Pferd folgt in einem
Abstand von etwa einem Meter dem
Rind, anfangs ist der Abstand wahr-
scheinlich größer, da der Reiter sein
Pferd noch nicht so gut steuern kann. Auch ein erfahrenes Pferd sollte
diesen Mindestabstand ebenfalls nicht
unterschreiten. Man kann – wenn die
Situation es erlaubt – ein neugieriges
Pferd mal an einem Rind schnuppern
lassen, damit es die neuen Erfahrun-
gen mit allen Sinnen und damit besser
verarbeiten kann. Sollte ein neugieri-
ges Pferd allerdings die Ohren zurück-
legen und das Maul aufmachen, um
„da“ mal zu zwicken, muss der Reiter
entsprechend reagieren und den gefor-
derten Abstand wieder herstellen. Die-
se Reaktion ist als Übersprungshand-
lung zu bewerten, weil unser Pferd zu
unerfahren ist und mit diesem un-
bekannten Wesen nichts anzufangen
weiß. Dabei spielt der Charakter eines
Pferdes eine bestimmte Rolle: So wie
es in einer Pferdeherde einzelne Tiere
gibt, die näher zusammen stehen, und
andere, die gerne etwas Distanz halten, so äußert sich ein selbstbewusstes
oder schüchternes Verhalten in der
Reaktion auf das Rind. Auf jeden Fall muss ein Pferd lernen, auf den Reiter
zu hören und gleichzeitig dem Rind
zu folgen, egal, wo das Rind hinläuft. Daher auch der Name dieser Übung: So wie ein Anhänger zwangsläufig
dem Auto folgt, so folgen Pferd und
Reiter dem Rind. Diese Aufgabe ist
wie ein Spiel und doch eine Lektion. Nehmen Sie sich die Zeit, denn es
kann durchaus eine Weile dauern, bis
Sie den Meter Abstand gleichmäßig
halten können. Irgendwann findet das
Pferd Gefallen daran und entwickelt
einen gewissen Verfolgungsdrang, bei
dem einen oder anderen Pferd wird so
der Cowsense geweckt. Bis zu diesem
Punkt lässt sich jedoch vieles aus
einem natürlichen Spieltrieb heraus
erklären, so dass jedes Pferd diese
Übung problemlos mitmachen kann. Trailern ist eine schöne Übung, die man immer wieder mal ins Training mit einbauen kann.
Sogar für erfahrene Pferde ist „trailern“
eine wertvolle Ergänzung, um Span-
nung abzubauen und so wieder locker
an der Kuh zu werden.
Ohne Stress trainieren –
auch mit zwei Rindern
Beim zweiten oder dritten Mal
würde ich dann zwei Rinder mit in die Arena nehmen. Ein einzelnes Rind wird doch sehr schnell müde und bleibt unter Umständen einfach stehen. Dann provoziere ich eine Situation, in der
sich dieses Rind dem Pferd „stellt“, das heißt, es wird sich umdrehen und
auf das Pferd zugehen. Das wäre für
das Pferd eine Enttäuschung und für
uns kontraproduktiv, weil ein selbst-
bewusstes Rind vom unerfahrenen
Pferd als gefährlich eingestuft wird. Diese Situation gilt es zu vermeiden. Bei zwei Rindern kann der Reiter
abwechseln. Mal geht er hinter dem
einen, mal hinter dem anderen Rind
hinterher. Auf diese Art und Weise
lernt unser Pferd, sich auf das Rind
zu konzentrieren, welches es gerade
„verfolgt“ – ein wichtiger Nebeneffekt. Ältere Turnierpferde, die ungeduldig
gegen ein Rind drücken, korrigiere
ich mit folgender Übung: In dem
Moment, in dem der Abstand unter
einen Meter geht, nehme ich das Pferd
in eine Volte. Verhält sich das Pferd
widersetzlich, nimmt es die Hilfen
nicht an, reite ich so lange Volten, bis
ich die Hilfengebung reduzieren kann, die Anspannung weg ist und das Pferd
willig den Reiterhilfen folgt. Darauf-
hin gehe ich wieder Richtung Rind. Diese Korrektur wiederhole ich so
oft, bis ich einen akzeptablen Abstand
zu den Rindern halten kann. Sollte es sich dabei um ein Reining-Pferd
handeln, muss der Reiter natürlich
aufpassen, dass aus dieser Volte kein
Spin wird. Unser Ziel ist eine ruhig
gerittene Kreislinie, denn dann weiß
ich, dass mein Pferd sich entspannt
hat. Auch hier muss ich bei dem einen
oder anderen Pferd von vornherein
ausreichend Zeit einplanen, weil ich
unter Umständen lange damit beschäf-
tigt bin, Volten zu reiten. Es ergibt
nun mal keinen Sinn, mit einem Pferd
an ein Rind zu gehen, das nicht willig
und leicht an den Hilfen steht. Später
bei der Arbeit in einer Rinderherde
und mit anderen Reitern und Pferden
zusammen wird unserem „cowpony“
relativ viel Freiraum gelassen. Umsowichtiger ist es jetzt, den Grundstein
zu legen, das heißt, ich erwarte, dass
mein Pferd mir „zuhört“ und leicht auf die Reiterhilfen reagiert. In diesem Zusammenhang muss ich
auf die Gesamtheit des Pferdetrai-
nings hinweisen, sprich: War das Pferd
auf der Koppel? Wurde das Pferd
ausreichend abgeritten und warm
gemacht? War es vielleicht in der
Führanlage? Wie wurde das Pferd auf die Rinder vorbereitet usw. Kommt
bei einem unerfahrenen Pferd auch
noch eine gewisse Nervosität aufgrund
von mangelnder Bewegung dazu, wird
es Schwierigkeiten haben, sich im
Training zu konzentrieren.
Der Reiter hat dafür Sorge zu tragen, dass sein Pferd ausreichend vorbereitet
den direkten Kontakt zu einem Rind
aufnimmt. Ziel jeder Trainingseinheit
ist es, mit einem positiven Ergebnis
abzuschließen – dazu zähle ich be-
sonders die kleinen Erfolgserlebnisse!
Darum auch hier vorausschauend
agieren und Stress vermeiden – bei
allen Beteiligten. Für Reiter und
Ausbilder besteht beim Trailern
zusätzlich die Möglichkeit, Sitz und
Hilfengebung zu korrigieren. Später
bleibt im wahrsten Sinne des Wortes
kaum noch die Zeit: Dem Reiter wird
in dieser Trainingsphase vielleicht zum
ersten Mal bewusst, wie sehr das Rind
die Geschwindigkeit vorgibt und dass
er seinen Blick ständig auf das Rind zu
richten hat!
Beim Trailern mit zwei Rindern lernt das Pferd, sich
auf ein vom Reiter festgelegtes
Rind zu konzentrieren. Dies ist
für die spätere Arbeit bei Team
Penning, Cutting und Working
Cowhorse von großem Nutzen.
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