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Positionierung und Kontrolle
Cowsense bedeutet in dieser Aus-
bildungsphase für mich, dass das Pferd
verstanden hat, die Kuh im Auge zu
behalten, sie zu verfolgen und bei ihr
zu bleiben, so lange der Reiter dies
vorgibt. Ich würde jetzt von einem
„kontrollierten“ Cowsense sprechen. Das Pferd lernt, dass es stoppen soll, wenn das Rind stoppt, und dann
dreht, wenn das Rind dreht. Dies
lernt es, indem es parallel zu einem
Rind geht. Wenn dieses dreht, dreht
das Pferd auf der Hinterhand mit um
und geht daraufhin wieder parallel
mit. Jetzt kann der Reiter alles das
umsetzen, was er zum Beispiel an der
Cutting-Maschine oder im Reiter-
Pferd-Kombi-Training gelernt hat. Das „Kuhbein“, also das Reiterbein, das quasi zum Rind zeigt, bekommt
seine Bedeutung. Sollte das Pferd
Richtung Rind drücken, wird das
Kuhbein aktiv vom Reiter eingesetzt
und drückt das Pferd weg vom Rind, um weiter in einem angemessenen
Abstand parallel zu diesem zu bleiben!
Sobald das Pferd selbstständig anfängt
zu drehen, kann der Reiter anfangen, sein Pferd zu positionieren. Positi-
onierung bedeutet, das der Reiter
parallel zum Rind reitet und dann
erst dieses überholt – meist nur eine
Pferdenase lang –, mit dem Ergebnis, dass das Rind stoppt. Daraufhin hält
der Reiter sein Pferd an und nimmt es
möglichst einen Tritt rückwärts. Wenn
das Rind gestoppt hat, kann man
davon ausgehen, dass das Pferd auch
stehen bleibt, wenn auch nur kurze
Zeit nach dem Rückwärts. Der Reiter
lässt sein Pferd verharren und das
Rind anschauen. Eine andere Variante
wäre folgende: Dreht das Rind, dann
stoppt man sein Pferd, lässt es ein, zwei Tritte rückwärts treten und dreht
mit dem Rind, ohne vorher stehen
zu bleiben. Es kommt einfach darauf an, wie schnell das Rind ist: Ist es ein
flottes Rind, muss der Reiter gleich
nach einem Rückwärtstritt umdrehen, bei einem langsameren Rind kann
man auch zwei, drei Tritte rückwärts
gehen und dann umdrehen. Das Pferd
muss von Anfang an Zeit haben, mit
dem Rind zu drehen. Es darf nicht
lernen: „Wir verlieren eine Kuh,“
oder „wir sind zu spät!“ Ein Rind ist
nicht „verloren“, es ist nur woanders!
Das Pferd lernt schnell, sich auf ein
Rind zu konzen trieren, und es wird
versuchen, selbstständig an diesem
dranzubleiben. Zu oft sehe ich, dass
Reiter ungeduldig sind und ihr Pferd
zu hektisch umdrehen. So baut sich
Stress auf, die Pferde verspannen sich, anstatt motiviert und mit Freude bei
dieser Arbeit zu bleiben. Der Reiter
muss seinem Pferd unbedingt Zeit
geben, in einer Rückwärtsbewegung
kontrolliert umzudrehen, auch wenn
das Rind zunächst „wegläuft“. Um das
zu vermeiden, wird am Anfang ein
sehr langsames Rind ausgesucht.
Eine besondere Strategie: das „Defence“-Reiten
Das Schöne am Zusammenleben
und dem Training mit Lebewesen ist
die Tatsache, dass sich immer wieder
etwas ändert. Zu den überlieferten
Erfahrungen alter Horsemen gesellen sich die Erkenntnisse moderner Trainingsmethoden. So hat
zum Beispiel ein bekannter Cutting-
Trainer, nämlich Buster Welch aus
Texas, herausgefunden, wie man auch
im Cutting-Training einen Round
Pen effektiv nutzen kann. Als er kurz
darauf die Cutting-Futurity gewann, wurde die Fachwelt hellhörig!
Buster Welch kreierte aufgrund der
kreisförmigen Begrenzung und der
kurzen Wege im Round Pen einen
neuen Trainingsstil. Der Reiter hat
viel mehr die Möglichkeit, „defence“
zu arbeiten und das Pferd muss zur
Kontrolle des Rindes niemals auf die
Bande zurennen und dort das Rind
stoppen. In der Praxis heißt das: Wird das Rind zu schnell, bleibt man
ein bisschen weg von diesem. Man
nimmt dadurch den Druck vom Rind
weg – letztendlich auch vom Pferd. Mit dieser Strategie trainiert man sein
Pferd leichter, da nicht ständig „Druck“
durch ein Rind ausgeübt wird. Das
Pferd findet schnell heraus: „Wenn
ich Abstand halte und die richtige
Position bekomme, ist es leichter, das
Rind zu kontrollieren.“ Den Druck
wegzunehmen, ist nur möglich, wenn
es im Kreis herum geht; denn der ist
endlos. Das Pferd hat immer den kür-
zeren Weg und kann so relativ einfach
parallel zum Rind bleiben.
Für junge oder noch unerfahrene Pfer-
de bedeutet „Defence“-Reiten, wichtige
Erfahrungen zu machen: Nach einiger
Zeit stoppt jedes Rind, das im Kreis
herumläuft. Wenn das Pferd auch
stoppt und einen Schritt zurückgeht, bekommt es dadurch eine Pause. Als
Folge des Rückwärtsrichtens wendet
sich das Rind daraufhin dem Reiter-
Pferd-Paar wieder zu. Mit diesem
Prinzip lernen die Pferde sehr schnell, die Rinder zu „lesen“. Jetzt sollte man
Folgendes wissen: Jedes Mal, wenn
man bei dieser Übung einen Stopp er-
reicht hat und zum Stillstand kommt, dann durch ein anschließendes Rück-
wärtsrichten sozusagen auch noch den
„Druck“ von der „Kuh“ nimmt, wird
diese ebenfalls still stehen. Dann tritt
eine gewisse „Ruhe“ ein. Diese „Ruhe“
ist das größtmögliche „Lob“ für ein
junges Pferd. Das Stillstehen ist –
ähnlich wie beim Reining-Training –
eine positive Bestätigung. Dann kann
das Pferd Luft schnappen, entspannen
und außerdem dabei lernen zu war-
ten – eben „defence“ zu arbeiten. Im
Gegensatz zu einer Reining muss man
beim Rindertraining allerdings darauf achten, dass unser Pferd das Rind im
Auge behält. Der Reiter hilft unter
Umständen mit dem Zügel, indem er
die Pferdenase Richtung Rindernase
nimmt. Unser Ziel ist also, dass das
Pferd dieses Rind im Auge behält und
lernt, trotzdem ruhig zu bleiben. Fängt
das Rind an sich zu bewegen und das
Pferd reagiert nicht, kann in diesem
Fall der Reiter mit den Schenkeln und
den Zügeln nachhelfen, damit sein
Pferd sich auch bewegt. Hat das Rind
beschlossen wegzulaufen, muss der
Reiter sein Pferd daran hindern, nach
vorne in Richtung Rind zu laufen. Er
stoppt es mit einer Zügelhilfe. Gleich-
zeitig muss der Reiter mit dem „kuh-
seitigen“ Bein helfen, sein Pferd wieder
in eine gute Position zu bringen. Es ist
ganz wichtig, dass man seinem Pferd
hilft, immer wieder eine gute Position
zu finden. Auf keinen Fall lassen wir
das Pferd von seiner Ideallinie – also
parallel zur Kuh – einfach nach vorne
(12 Uhr!) rauslaufen. Dies würde nur
auf Anweisung des Reiters zum An-
treiben eines Rindes passieren.
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