Der Umgang mit der EIA-Situation vor und während der diesjährigen
Quarter Horse-Europameisterschaft beschäftigt auch die internationalen
Medien. Das Schweizer Westernreiter-Magazin "Westerner" fragt
unter dem Titel "Desaster in Kreuth – Facebook-Hysterie oder eher
ein Kommunikationsproblem?", wer sich "gerne die Finger verbrennen"
wolle und kommt zum Schluß, daß die "Teilnehmer sich selber überlassen
waren".
Lesen Sie hier den Gastbeitrag aus der aktuellen Ausgabe des Westerner
sowie eine kommentierte Rekonstruktion der wichtigsten zehn Tage
rund um diese Quarter Horse-Europameisterschaft.
Desaster in Kreuth – Facebook-Hysterie oder eher ein Kommunikationsproblem?
(westerner/ Andrea Fischer) Es ist von Facebook-Hysterie und gar
von Boykott die Rede: Es geht um die diesjährige Europameisterschaft
der American Quarter Horses, die vom 7. bis 16. August in Kreuth
stattfand. Es hätte laut Statistik mit 1184 genannten Starts (Quelle
Wittelsbuerger.com), die seit 17 Jahren grösste Quarter Horse
Europameisterschaft werden sollen. Mit der Mitteilung des Veterinäramts
des bayerischen Landkreises Schwandorf von zwei bestätigten EIA-Fällen,
nahm der Albtraum der Quarter Horse EM-Veranstalter und Showmanagerin
Michaela Kaiser seinen Lauf.
Mitte Juli wurden auf einem Pferdehof im Landkreis Rosenheim in
Oberbayern zwei an der Pferdeseuche EIA (Equine infektiöse Anämie)
erkrankte Pferde gemeldet. Die Fälle wurden vom zuständigen Veterinäramt
bestätigt, der Hof wurde unter Quarantäne gestellt. In Folge dieser
EIA Meldungen wurden im Umkreis von einem Kilometer Durchmesser
ein Sperrbezirk errichtet und alle in diesem Raum gehaltenen Pferde
blutserologisch auf das EIA Virus untersucht. Insgesamt testete
man bisher sechs Pferde positiv auf die Seuche, sie wurden inzwischen
eingeschläfert.
Geografisch gesehen bestehe zwar, (40 Kilometer Entfernung) eine
relative Nähe der Seuchenbetriebe zum Reitsportzentrum in Kreuth
(Ostbayernhalle), ein Ansteckungsrisiko für Pferde, welche dort
an Turnieren teilnehmen, sei jedoch als eher gering einzustufen,
hiess es in der Stellungnahme des Veterinäramtes des zuständigen
Landkreises Amberg-Sulzbach. Zum Vergleich: Reithalle Holziken
(Nähe der Raststätte Kölliken an der A1) und Matzendorf liegen
ungefähr in dieser Distanz voneinander entfernt.
Die Seuche wird hauptsächlich durch Stechinsekten wie Bremsen,
Stechfliegen und Mücken übertragen. Eine direkte Übertragung von
Pferd zu Pferd sei zwar grundsätzlich möglich, spiele aber, laut
Stellungnahme des Veterinäramtes, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen
im Infektionsgeschehen eine eher untergeordnete Rolle. Diese These
werde auch durch die Tatsache unterstützt, dass in den bisher
gesperrten drei Pferdehaltungen zwar eine grössere Anzahl Pferde
über mehrere Jahre hinweg zusammen gehalten, aber nur wenige davon
positiv getestet wurden.
Sollte ein EIA Fall auf der Anlage oder im Umfeld von Kreuth diagnostiziert
werden, so würde auch in diesem Fall eine dreimonatige Quarantänebestimmung
in Kraft treten.
Soweit also die Entscheidungsgrundlage der Turnierorganisation
drei Tage vor Start des Grossanlasses in Kreuth.
Wer möchte sich gerne die Finger verbrennen? Freiwillige vor!
Besorgte Teilnehmer meldeten sich und die Turnierorganisation
und FEQHA reagierte mit einem Statement, indem sie über die aktuelle
Lage informierte. Gestützt auf die Empfehlung des zuständigen
Veterinäramts, verlangte das Show Management nun von den Besitzern
aller anreisenden Pferde, ein durch den Amtsveterinär ausgefülltes
Gesundheitszeugnis, das nicht älter als fünf Tage sein durfte.
Ziel dieser Aktion war es, den Teilnehmern ein sicheres Gefühl
zu geben. Denn auf diese Weise wurde sichergestellt, dass kein
Pferd aus einem betroffenen Landkreis auf Platz war und somit
das allgemeine Ansteckungsrisiko (auch durch andere Krankheiten)
generell minimiert. Die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung durch
eine Pferdekrankheit war durch diese Massnahme geringer, als vor
dem Ausbruch der EIA im 40 Kilometer entfernten «Unglücksstall».
In derselben Stellungnahme übernahmen jedoch weder das Veterinäramt
noch die Turnierleitung Verantwortung und informierten statt dessen
die Reiterinnen und Reiter, dass eine Teilnahme u auf eigenes
Risiko geschehe und sie jegliche Haftung ablehne. Diese Haltung
ist normal, denn, welcher Veranstalter und oder Beamter möchte
sich schon freiwillig die Finger verbrennen? Jeder Jurist rät,
sich rechtlich abzusichern.
Obschon die getroffenen Massnahmen seitens der Organisation den
Umständen entsprechend sinnvoll waren, entpuppte sich diese Art
der Kommunikation als Bumerang. Die ausgesandte Botschaft sollte
heissen: «Ihr braucht keine Angst zu haben. Wir arbeiten mit den
zuständigen Amtstierärzten zusammen. Es wird kein Pferd auf die
Anlage kommen, das nicht auf Herz und Nieren geprüft wurde. Bei
uns sind eure Pferde sicher, wir haben alles unter Kontrolle.»
Was offenbar ankam war in etwa Folgendes: «Eure Pferde könnten
sich auch ohne den aktuellen EIA Fall mit EIA infizieren. Das
Risiko müsst ihr selber abschätzen, wir übernehmen keine Verantwortung,
ihr seid in eurer Entscheidung euch selber überlassen.» Und dann
noch der eiskalte Peitschenknall: «Nenngelder können bei Nichtteilnahme
nicht zurückerstattet werden.» Nachvollziehbar aus Sicht der Organisatoren.
Die Turnierorganisation war ja auch an einem Punkt angelangt,
wo es kein Zurück mehr gab.
Wir sind gewissermassen auch nur Schafe
Was nun geschah, ist für unser aktuelles Zeitalter typisch und
wird mit Facebook-Hysterie tituliert. Blökt ein Schaf, blöken
gleich hundert andere auch und die Däumchenhoch auf Facebook wurden
fleissig gedrückt. So kam es, dass von rund 350 gemeldeten Pferden,
noch 131 aus zehn europäischen Nationen anreisten. Allen voran
zogen renommierte Ställe wie Jagfeld Quarter Horses und Prevedel
ihre Nennungen zurück. Ob nun aufgrund von Kundenentscheidungen,
wie in einem offenen Statement von Alexandra Jagfeld auf Wittelsbuerger.com
nachzulesen, oder aus einem unguten Bauchgefühl heraus: Jeder
Teilnehmer war sich selber überlassen und musste das Risiko einschätzen
und schlussendlich die Konsequenzen tragen. Ob im Nachhinein Facebook
wirklich der richtige Berater war, ist fraglich. Im Moment wird
heftig über die eine und über die andere Seite diskutiert. Denn,
egal wie man sich entschied, es war falsch. Fuhr man an die EM
nach Kreuth, hat man aus Sicht der einen sein Tier in Gefahr gebracht,
blieb man zu Hause, liess man sich aus Sicht der anderen durch
die Facebook-Hysterie anstecken.
WESTERNER hat beim Eidgenössisches Departement des Innern EDI,
Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV nachgefragt
Wie hoch ist das Risiko, dass ein Pferd, das 40 km von einem EIA-Seuchenstall
entfernt an einem Turnier teilnimmt an dem nur Pferde eingestallt
werden, die über ein durch den Amtstierarzt ausgestelltes Gesundheitszeugnis
verfügen, angesteckt wird?
«Ein (kleines) Risiko besteht immer: die Krankheit kommt sporadisch
in diversen (EU-)Staaten vor. Aktive Überwachungsprogramme gibt
es kaum. Demnach ist oft nicht bekannt, wie häufig das EIA-Virus
bei Pferden tatsächlich vorkommt. Der Tierverkehr ist eine häufige
Ursache für das Verschleppen der Krankheit, und die Herkunft der
Infektion kann oft nicht eruiert werden.
Zu Ihrer konkreten Frage zum «40 km Abstand von einem Seuchenbestand:
Die EIA wird gegebenenfalls von gewissen Insektenarten übertragen
(z.B. Bremsen). Diese Insekten haben jedoch einen kleinen Aktionsradius.
Ein Kilometer gilt in Fachkreisen als Richtwert für die mögliche
Verbreitung durch Insekten.
Die Tierseuchenverordnung schreibt in der Schweiz demzufolge eine
Ausdehnung der Sperrmassnahmen auf alle Equidenhaltungen im Umkreis
von mindestens einem Kilometer um den verseuchten Bestand vor
(lokale Gegebenheiten, Jahreszeit usw. sind dabei zu berücksichtigen).
Das BLV gibt keine offiziellen Empfehlungen ab für oder gegen
die Teilnahme an Veranstaltungen, gerade auch bei Veranstaltungen,
die im Ausland stattfinden. Die Behörden vor Ort verfügen über
genauere und aktuellere Informationen. Diese können in solchen
Fällen zusammen mit Veranstaltern und Verbänden die Lage besser
beurteilen. Gestützt darauf muss am Ende jede Pferdhalterin oder
Pferdehalter selber über eine Teilnahme entscheiden. Dass es in
fast allen EU-Staaten trotz der sehr vielen Pferdebewegungen eigentlich
nur sporadische Fälle gibt, spricht dafür, dass dieses System
recht gut funktioniert …»
So die Antwort von Eva van Beek, Stellvertretende Leiterin Kommunikation
und Mediensprecherin des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit
und Veterinärwesen BLV.
Wie hättet ihr entschieden?
Die Diskussion ist eröffnet. Kurze Statements im Rahmen unserer
redaktionellen Möglichkeiten werden im nächsten Westerner veröffentlicht.
Bitte mit Vorname und Name an info@swisswesternhorse.ch.
Was ist EIA (Equine infektiöse Anämie)?
Die Schweiz verbietet die Einfuhr von Pferden aus Rumänien. Grund
dafür ist die in Rumänien grassierende Blutarmut der Pferde, die
so genannte Equine Infektiöse Anämie (EIA). In der Schweiz ist
die EIA seit 1991 nie mehr aufgetreten. Das Verbot gilt seit dem
1. Oktober 2010.
Die Equine Infektiöse Anämie (EIA), auch ansteckende Blutarmut
der Einhufer genannt, ist eine Viruserkrankung der Pferde. Sie
führt anfallsweise zu hohem Fieber, Blutarmut, Abmagerung und
Leistungsschwäche. Gelegentlich kommen plötzliche Todesfälle vor.
Für die Seuche gelten strenge staatliche Bekämpfungsmassnahmen.
Die Krankheit wird meist durch den Stich von Insekten übertragen
(Mücken, Fliegen, Bremsen) oder auch durch engen, langandauernden
direkten Tierkontakt. Alle Ausscheidungen erkrankter Tiere sind
ansteckend, auch der Samen befallener Hengste. Angesteckte Tiere
können den Erreger lebenslang ausscheiden. Die Übertragung auf
ungeborene Fohlen im Körper der Stute ist möglich aber selten,
ebenso die Übertragung über Milch.
Der Erreger ist weltweit verbreitet. In Europa ist die Krankheit
in Rumänien ausgebrochen, und auch in Italien und in Frankreich
tritt die Krankheit immer wieder auf. Die Schweiz ist frei von
EIA.
Halten Sie die allgemeinen vorbeugenden Massnahmen gegen Tierseuchen
ein. Achten Sie insbesondere darauf, die Krankheit nicht durch
zugekaufte Tiere oder nicht getesteten Samen in einen Bestand
einzuschleppen. Testen sie aus betroffenen Regionen stammende
Tiere vor einem Import. Es existiert kein vorbeugender Impfstoff
gegen die Krankheit.
Die Equine infektiöse Anämie ist eine auszurottende und somit
meldepflichtige Tierseuche. Wer Tiere hält oder betreut, muss
Verdachtsfälle dem Bestandestierarzt/der Bestandestierärztin melden.
Quelle: Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen
BLV
13. Juli, noch 32 Tage bis zum Beginn der QH-EM
Erste Meldungen einer Equinen Infektiöser Anämie (EIA)-Diagnose
bei drei Pferden in Bad Feilnbach im bayerischen Landkreis Rosenheim
machen die Runde. Rosenheim liegt südlich von München, rund 200
km entfernt von Kreuth. Zwei der Pferde stammen von einem Reiterhof
bei Trausnitz, 40 km nördlich von Kreuth. Eine Bestandsuntersuchung,
insgesamt 50 Pferde, wird angeordnet.
20. Juli, noch 13 Tage bis zum Beginn der QH-EM
Die drei Pferde in Bad Feilnbach werden nach dem Nachweis der
Anämie umgehend eingeschläfert, ein Sperrbezirk von einem Kilometer
wird rund um diesen Hof eingerichtet, der drei Monate gelten soll,
sofern am Ende der Sperre die erneuten Blutuntersuchungen negativ
verlaufen (mehr
dazu).
3. August, noch vier Tage bis zum Beginn der QH-EM
Die Equine Infektiöser Anämie erreicht Ostbayern: Medien berichten,
daß ebenfalls „zwei der zwölf Tiere, die auf dem Hof (in Schwandorf)
leben, ebenfalls infiziert sind“ und getötet werden mussten. Auch
dieser Hof wird mit einem Sperrbezirk für drei Monate unter Quarantäne
gestellt. „Der Reitbetrieb ist voraussichtlich bis Anfang November
eingestellt“, wird der Hof zitiert (mehr
dazu).
In einer Email der Meldestelle der QH-EM am Montag Abend um 20.47
Uhr an die Teilnehmer der QH-EM („WICHTIG: ECQH2015 - Gesundheitsattest
Pflicht für alle deutschen Teilnehmer!“) fordert das Showmanagement
um Michaela Kayser und Markus Rensing sowie der FEQHA-Vorstand
aufgrund „positiv diagnostizierter Infektiöser Anämie Fälle in
Südbayern“ die Vorlage von „Gesundheits-Zeugnissen für jedes teilnehmende
Pferd“. Pferde ohne dieses Attest müssten „vom Turnier-Veterinär
vor Ort untersucht und/oder ggf. in Quarantäne-Boxen untergebracht
werden“.
Begründet wird diese Pflicht mit einer Anordnung der „Veterinär-Behörde
des Landratsamtes Sulzbach-Amberg als zuständige Stelle für den
Turnierstandort Rieden–Kreuth“.
Ein eklatanter Fehler, denn diese Begründung ist falsch, wie sich
später herausstellen soll.
Und: Offensichtlich sind die neuen Fälle in Schwandorf dem Showmanagement
noch nicht bekannt, denn Schwandorf liegt in Ostbayern, nicht
in Südbayern.
4. August, noch drei Tage bis zum Beginn der QH-EM
Die Meldung über die Attestpflicht erreicht die sozialen Medien,
denn ausser der Email sind keine weiteren Informationen seitens
der QH-EM-Organisation veröffentlicht worden.
Was bedeutet diese Info der QH-EM-Veranstalter, wie soll man damit
umgehend, und: Was ist Equine Infektiöser Anämie eigentlich? Was
bedeutet das für mein Pferd? Wie hoch ist das Quarantäne-Risiko?
Und wie Die Telefone, Smartphones und facebook-Accounts beginnen
heißzulaufen, die Menschen haben Fragen.
Am Dienstag Mittag um 13.15 Uhr heisst es auf der DQHA-Website:
„In einigen Teilen Südbayerns ist Infektiöse Anämie ausgebrochen.
Die Veterinär-Behörde (..) hat die Vorlage von Gesundheits-Zeugnissen
für jedes teilnehmende Pferd (…) empfohlen. Mit dieser Entscheidung
sollen die teilnehmenden Pferde so gut wie möglich geschützt werden"
(mehr
dazu).
Interessant: Während die QH-EM-Organisation von einer Attestpflicht
durch das Veterinäramt spricht, ist die Informationslage in Aschaffenburg
offensichtlich eine andere. Dennoch hat diese Information der
DQHA auf facebook kaum einen Effekt.
Dessen ungeachtet beharrt die Meldestelle der QH-EM um 14.34 Uhr
in einer weiteren Email auf die Attestpflicht mit dem Hinweis,
daß das Attest „unerlässlich ist für alle Pferde, die aus Deutschland
auf die Anlage kommen“ und „unvollständige Dokumentationen/Begleitpapiere
zu Mehrkosten und Verzögerungen in der Abfertigung/Aufstallung
der Pferde für den Teilnehmer führen.“ Weiter heisst es: „Das
Show Management weist nach Rücksprache mit dem zuständigen Veterinäramt
darauf hin, dass die Turnierteilnahme jedes Teilnehmers freiwillig
und auf eigene Verantwortung erfolgt.“
Später ist dieser Text auch auf der Internetseite der QH-EM zu
lesen, damit wird das Thema „Infektiöse Anämie“ erstmals öffentlich
vom Showmanagement der QH-EM erwähnt
. Die Turnierteilnahme jedes Teilnehmers erfolge „freiwillig und
auf eigene Verantwortung“, heisst es weiter, „Nenngelder können
bei Nichtteilnahme nicht zurück erstattet werden.“
Die ersten Teilnehmer kommen derweil auf der Turnieranlage in
Kreuth an und müssen ihre Pferde zunächst in Quarantäne stellen,
da die Emails sie nicht mehr rechtzeitig erreicht haben. Als sie
die erforderlichen Atteste nachreichen, können sie ihre regulären
Boxen beziehen und beginnen, trotz aller Verunsicherung, ihre
Stallgassen zu schmücken.
5. August, noch zwei Tage bis zum Beginn der QH-EM
Die NRHA Germany informiert nun über ihre Recherchen beim Veterinäramt
in Amberg und stellt fest, daß die angeblich „amtliche Anordnung“
eines Gesundheitszeugnisses schlichtweg nicht existiert.
Der Verband zitiert Dr. Melanie Fruck, seit 2013 im Veterinäramt
Amberg-Sulzbach: „Bei dem Einfordern des amtstierärztlichen Gesundheitszeugnisses
handelt es sich um keine amtliche Anordnung. Von amtlicher Seite
gibt es keine Auflagen.“
Weiter heisst es: „Der Turnierveranstalter hat sich aus Verantwortungsbewusstsein
und zum Schutz aller teilnehmenden Pferde in Absprache mit dem
Veterinäramt und der Regierung der Oberpfalz zu dieser Vorsichtsmaßnahme
entschieden.“
Damit wird klar: Die Attestpflicht ist alleine eine Entscheidung
der QH-EM-Organisation, und es ist fraglich, ob diese Atteste
angesichts der Anämiesituation überhaupt dazu geeignet wären,
die Pferde in Kreuth zu schützen, bestätigt der Attest doch nur,
daß das Pferd nicht „nicht aus einem Betrieb, der nach amtlicher
Kenntnis einer tierseuchenrechtlichen Sperre unterliegt“, kommt,
also aktuell aus Schwandorf oder Rosenheim.
Warum also wird dieses Attest seit Montag Abend, 3. August, unter
dem falschen Vorwand einer amtlichen Anordnung verlangt? Sollte
damit eine Verantwortung abgeschoben werden?
In der Zwischenzeit erreicht die Diskussion nun auch die EuroPaint,
die Paint Horse-Europameisterschaft in Kreuth (mehr
dazu) sowie die EWU German Open in Kreuth. „Den ganzen Tag
standen unsere Telefone nicht still“, besorgte Reiter für großen
Shows zum Saisonabschluss suchen nach Information, Orientierung
und Rat.
Im Zuge dessen bestätigen PHCG und EWU die Informationen der NRHA
Germany, daß „kein erhöhtes Infektionsrisiko für den Turnierstandort
Rieden/Kreuth besteht und somit auch keine Maßnahmen angeordnet
werden“ (mehr
dazu).
Die ersten Teilnehmer beginnen bereits wieder mit der Abreise
vom Turniergelände in Kreuth.
6. August, noch ein Tag bis zum Beginn der QH-EM
Der FEQHA-Vorstand, als Veranstalter der QH-EM, veröffentlicht,
daß durch die amtstierärztliche Bescheinigungen „ein Infektionsrisiko
auf dieser Europameisterschaft deutlich geringer sein, als auf
allen vorhergehenden.“ Weiterhin bittet er die Teilnehmer, „die
Situation sachlich zu beurteilen und ggf. Rücksprache mit ihrem
Tierarzt zu halten.“
Ein einem späteren Statement äußert sich das Show Management:
„Ihr werdet sicher verstehen, dass Aussagen zum Thema Infektiöse
Anämie intern und mit dem Veterinäramt abgestimmt werden müssen.
Dies geht manchmal längere Wege, als wir es uns selbst wünschen.“
Nach einigen allgemeinen Informationen heisst es weiter, daß es
„bislang einige Absagen“ gegeben hätte, man aber weiterhin „teilnehmerstarke
Klassen“ erwarten würde. Man könne aber keinem die Entscheidung
abnehmen, an dieser Show zu starten oder nicht, allerdings: “
Facebook ist leider kein guter Berater.“
Währenddessen wird in der facebook-Gruppe der QH-EM über eine
Absage der Veranstaltung und eine Zusammenlegung mit der Q15 in
Aachen diskutiert und die Frage gestellt, ob es für einen solche
Absage eine Versicherung für den Veranstalter gebe. Standen (und
stehen) wirtschaftliche Interessen vor Animal Welfare?
Die Informationslage scheint mittlerweile vollkommen aus dem Ruder
gelaufen zu sein. Nicht nur die Anzahl der Reaktionen und Kommentare
zum Thema QH-EM und EIA ist nicht mehr zu überblicken, auch die
unterschiedlichen Motivationen für facebook-Postings sind zu hinterfragen.
Das hashtag #?Iputmyhorsefirst? macht die Runde und offenbart,
daß man von Vertrauen in die offiziellen Mitteilungen nicht mehr
sprechen kann.
7. August, die QH-EM beginnt
Teilnehmer, die beschlossen haben, nicht auf der QH-EM zu starten,
sehen sich gezwungen, diese Entscheidung öffentlich begründen
zu müssen. Sie ständen jetzt unter dem Verdacht, das Turnier und
dessen Management durch ihre Entscheidung ruinieren oder gar ihr
Image aufpolieren zu wollen (mehr
dazu).
Die AMERICANA in Augsburg informiert darüber, daß sie eine Coggins-Test-Pflicht
für alle teilnehmenden Pferde einführt (mehr
dazu).
8. August, die QH-EM läuft seit zwei Tagen
Der amerikanische Mutterverband AQHA stärkt dem QH-EM-Management
den Rücken: Lori Bucholz vom International Committee bedankt sich
bei den anwesenden Teilnehmern dafür, daß sie die QH-EM 2015 zu
einem großartigen Erfolg machen. Amy McLean, AQHA Director of
International Market Development, attestiert ein „very professional
management team, Micky Kayser and Markus Rensing“.
Die EWU-Bayern macht einen Coggins-Test nun für die Teilnahme
an der Landesmeisterschaft in Freystadt verpflichtend, die EWU
verlängert ihren Nennschluß für die German Open um eine Woche,
damit ihre Teilnehmer Zeit haben, „um sich gründlich in das Thema
einzulesen“ (mehr
dazu).
10. August, die QH-EM läuft seit vier Tagen
Nach dem ersten Wochenende steht fest: Der Rückzug der Teilnehmer
ist immens, rund 70% aller genannten Starts fallen aus. Interessant:
Der höchste Anteil der Nicht-Starter findet sich bei den Openklassen,
in dem die Profireiter starten müssen. Ein Aspekt, der einer näheren
Betrachtung würdig ist, sind es doch genau diejenigen, die mit
ihrer Entscheidung anderen Reitern eine Orientierung geben.
Denn entgegen allen offiziellen (und inoffiziellen) Meldungen
kann kaum davon die Rede sein, daß aufgrund von facebook-Gerüchten
diese Reiter ihre Starts abgesagt haben und die Heimreise angetreten
haben.
Will ernsthaft jemand glauben machen, daß Reiter mit jahrzehntelanger
Erfahrung ihre Entscheidungen aufgrund von facebook-Diskussionen
treffen?
Und auch das Risiko einer Ansteckung wurde eher realistisch betrachtet,
das Risiko einer möglichen Quarantäne und die damit verbundenen
Folgen sind hingegen der zentrale Diskussionspunkt.
Man muss facebook sicherlich nicht lieben, aber ab jetzt steht
fest, daß das soziale Netzwerk als Grund für die Krise nicht mehr
herhalten kann. Vielmehr scheint sich heraus zu kristallisieren,
daß möglicherweise die Form der Kommunikation rund um das Thema
EIA nicht zur Orientierung gedient hat, sondern die nun vorzufindende
Situation erst verursacht hat.
Und noch etwas wird deutlich: Es hätte nicht nur die größte QH-EM
aller Zeiten werden können, es wäre wohl auch das größte QH-Turnier
überhaupt in Europa sein können, mit 1.200 Starts pro Show!
Jetzt gilt als sicher, daß sie sich als kleinste QH-EM in die
Liga der Regiofuturitys einordnen wird, in mehr als der Hälfte
der EM-Klassen waren mehr oder genauso viele Richter wie Reiter
in der Bahn.
Währenddessen wird am Montag Nachmittag ein dritter Fall von Equiner
Infektiöser Anämie in Oberviechtach bekannt, rd. 50km entfernt
von Kreuth. Die FEQHA informiert darüber jetzt umgehend, einen
Tag später heisst es: „Das Veterinäramt und die Turniertierärztin
schätzen das Infektionsrisiko in Kreuth durch den dritten bekannt
gewordenen Fall nicht höher ein als zuvor.“
12. August, die QH-EM läuft seit sechs Tagen
Die EWU veröffentlicht um 12 Uhr mittags eine aktuelle Info-Seite
zum Thema EIA, auch in Hinblick auf die in einem Monat beginnende
German Open in Kreuth (mehr
dazu). Derweil macht die DQHA-Bayern für ihre Südfuturity
einen Coggings-Test verpflichtend, als erstes AQHA-Turnier in
Deutschland.