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Interview mit Jörg Bös:
Give the benefits for the rider – das muss die Vorgabe für den Richter sein“
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Jörg Bös ist seit sechs Jahren Richter.Der 37-jährige Hesse aus Weilmünster sitzt bereits seit seinem zehnten Lebensjahr im Sattel, im Westernstil reitet er seit 1995. Seit diesem Jahr ist er als Richter auch auf der offiziellen Liste der internationen Reiter-Organi-sation Federation Equestre Internationale (FEI). Die FEI ist als Verband zuständig auch für die international anerkannten Reining-Wettbewerbe. Das sind die CRI`s, aber auch die Weltreiterspiele. Jörg Bös wurde für die Aachener WM als so genannter Steward verpflichtet. Was aber ist ein CRI, was ein Stewardund wie wird eigentlich eine Reining gerichtet, das sind die Themen dieses Gespräches:

Du bist bei den Weltreiterspielen als Steward verpflichtet worden. Was ist das für ein Amt und was sind Deine Aufgaben in Aachen?

 Jörg Bös: Zunächst einmal: Neben mir sind noch weitere Stewards verpflichtet worden, etwa Susanne Haug und Sonja Merkle. Die Aufgabe der Stewards ist es grob gesagt, für die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Belange zu sorgen. Alle Pferde der Reining-WM sind von uns während der gesamten Show ab dem vorgeschriebenen Veterinär-Check im Stall, beim Abreiten und während des Wettberwerbs zu betreuen – rund um die Uhr. Wir sorgen dafür, dass nur autorisierte Personen in Kontakt mit dem Pferd kommen. Dadurch wird etwa ausgeschlossen, dass Pferde von Fremden manipuliert werden. Oder positiv ausgedrückt: Wir sind verantwortlich für das Wohlergehen der Pferde. Die Bestimmungen der FEI dazu sind sehr streng.


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Und wer ernennt die Stewards und die Richter für einen FEI-Wettbewerb?

 Jörg Bös:Die FEI, aber welche Personen genau, weiß ich nicht.

 Aber bestimmt stehen neben den Stewards auch schon die Richter für Aachen fest?

 Jörg Bös: Ja, so ist es. Die Reining-Wettbewerbe in Aachen werden von Jan Boogaerts (Belgien), Allan Mitchells (USA), Pat Carter (Kanada), Sylvia Katschker (Österreich) und Ralf Hesselschwerdt aus Deutschland gerichtet. Bit Jugde wird Simone Reiss aus der Schweiz sein.

 Und wie wird man Richter der FEI?

 Jörg Bös: Die internationale Richterkarte der NRHA muss vorliegen und natürlich praktische Erfahrung als Richter – auch bei CRI`s. Die nationalen Verbände, bei uns also die FN, stellen eine Kandidatenliste auf und auch ein FEI-Seminar muss dann noch erfolgreich wahrgenommen werden.

 Beim Maimarkt-Turnier in Mannheim warst Du Bit Jugde, auch mehrere Stewards waren zu erkennen. Ein äußeres Zeichen für einen CRI. Was aber ist das eigentlich genau?

 Jörg Bös: Ein CI steht in der Sprache der FEI für Concours International. Beim CRI steht das „R“ zusätzlich für Reining. Ein CRI ist also ein Concours Reining International. Das ist ein von der FEI anerkannter internationaler Reining-Wettbewerb.

 Es gibt aber auch ein CRIO sowie ein German Masters und eben die Weltreiterspiele. Noch dazu gibt es die CRI’s mit verschieden vielen Sternchen. Wir brauchen dringend etwas Klarheit in diesem Kürzeldschungel.

 Jörg Bös: Das will ich gerne versuchen: Ein Concours Reining International (CRI) gibt es in vier Stufen: vom CRI mit einem Stern bis zum CRI mit vier Sternen. Die Unterteilung richtet sich im wesentlichen nach der Höhe des Preisgeldes. In Mannheim etwa hatten wir einen CRI mit drei Sternen. Ein CRI mit einem Stern ist die niedrigste Wertung, ein CRI mit vier Sternen die höchste.

Umso mehr Sterne ein CRI hat, umso umfangreicher sind die Bestimmungen und Auflagen. So wächst etwa mit der Zahl der Sterne die Zahl der verbindlich vorgeschriebenen Stewards. Aber auch die Zahl der vorgeschriebenen Richter wächst entsprechend: Ein CRI* richtet ein Richter, ein CRI** wird von zwei Richtern gerichtet, ein CRI*** von drei Richtern (davon mindestens ein ausländischer Richter) und einem Bit Jugde – und ein CRI**** von fünf Richtern plus Bit Jugde, wobei dann jeweils der höchste und der niedrigste Score aus der Wertung fallen. Alle CRI`s werden in einer jährlichen Wertungsliste erfasst. Sozusagen eine Weltrangliste. Den einzelnen Ländern ist nicht vorgeschrieben, wie viele CRI`s sie veranstalten.Ein CRIO ist ein Concours Reining International Officiel. Das ist wie ein CRI, aber zusätzlich zum Einzelwettbewerb verbindlich um einen Teamwettbewerb erweitert. Im klassischen Reitsport ist wohl der CHIO in Aachen allen ein Begriff. Das H steht in diesem Fall für Hippique und meint eine Veranstaltung mit Wettbewerben in mehr als einer Disziplin.

Oben an der Spitze stehen schließlich die Championships (CH) wie etwa auch die World E-questrian Games, also die Weltreiterspiele.

 Und was hat das Reining Masters mit dem CRI bzw. den Weltreiterspielen zu tun?

 Jörg Bös: Die CRI-Läufe wurden etwa in diesem Jahr bei uns als Sichtungsläufe für die WM-Nominierung herangezogen. Für das Reining Masters sind es die Qualifikationsläufe, wobei ein Reiter immer nur bei einem Start in seinem Heimatland dafür punkten kann.

Die Teilnehmer des Reining Masters sind also die Jahresbesten eines jeden Landes bei den CRI`s. Wobei es da noch eine Unterscheidung gibt: Die fünf erfolgreichsten Länder der jeweils letzten Weltreiterspiele dürfen zwei Starter zum Masters schicken – in diesem Jahr also wegen Jerez die Nationen USA, Kanada, Großbritannien, Italien und Deutschland – und die anderen Nationen jeweils einen Starter. Qualifiziert ist also der jeweils beste Reiter bzw. die zwei besten Reiter einer Nation des Jahres. Kann ein entsprechend qualifizierter Reiter nicht teilnehmen, können die Nachstehenden der Rangliste nachrücken. Allerdings ist dieses Nachrücken nur bis maximal zum Fünften der Rangliste möglich, danach verfällt das Startrecht.

 Spielt denn diese Weltrangliste schon eine bedeutende Rolle? Sie steht doch dann in Konkurrenz zur in der Szene bekannten jährlichen Rangliste der NRHA?

 Jörg Bös: Und ob. Ich weiß von vielen, wie sehr darauf geschaut wird. Die Bedeutung der FEI-Rangliste wurde in kürzester Zeit sehr bedeutend, auch für die Amerikaner.

 Gibt es dafür - außer der FEI-Reputation - Gründe?

 Jörg Bös: Diese Reputation der FEI und damit des offiziell für den Weltreitsport zuständigen Verbandes kann nicht hoch genug bewertet werden. Darüber hinaus haben natürlich die ganzen FEI-Wettbewerbe einen großen neuen Markt – auch für die Amerikaner – geöffnet. Nach der Futurity und dem Derby gibt es nun große Shows auch für die älteren Pferde. Das ist natürlich auch für den US-Markt kein geringer Grund.

 Nach welchem Regelwerk werden die FEI-Wettbewerbe gerichtet?

 Jörg Bös: Nach dem Regelbuch der FEI. Bei der Reining wurde im sportlichen Bereich das Regelbuch der NRHA ohne Änderungen übernommen, aber um die allgemeinen Regeln der FEI, wie etwa die Bestimmungen für Stewards, erweitert.

 Wie funktioniert das NRHA-Regelbuch?

Ist es richtig, dass für den Scorebereich der Richter jeweils eine andere Meßlatte anlegt, also etwa bei der Geschwindigkeit im Spin in seiner Erwartungshaltung zwischen Provinz-Turnier und Weltmeisterschaft bzw. zwischen Anfänger- und Profi-Klasse unterscheidet?

 Jörg Bös: Nein, da wird nicht unterschieden. Die Meßlatte beim Score sollte möglichst immer gleich sein und nicht Tages- oder Turnierabhängig. Das NRHA-Regelbuch und die dazugehörige Richterausbildung macht klare Aussagen, was korrrekt ist oder nicht bzw. was Minus- oder Plusscore in welcher Höhe ist. Es ist also völlig Veranstaltungs-, Boden- und Niveauunabhängig.

 Der Score-Bereich geht in halben Punktzahlen von minus 1,5 über 0 bis zu plus 1,5. Was ist dann etwa ein O-Score im Spin also ein ordentlicher Spin - nicht zu verwechseln mit einem 0-Score, also Off-Pattern, für die Pattern?

 Jörg Bös: Ein 0-Score im Spin bedeutet die korrekte Ausführung des Spins. Also: Das Hinterbein steht stationär, der innere Fuß trägt das Gewicht, das äußere Hinterbin sorgt für die Vorwärtstendenz; die Schulter ist frei zum Kreuzen der Vorderbeine; das Pferd arbeitet in gelassener Position; keine Anzeichen von Verspannung und Steifheit.

 Und wofür bekommt man plus 1,5 Scorepunkte im Spin?

 Jörg Bös: Eine plus 1,5 bedeutet nicht eine perfekte Ausführung, sondern eine excellente. Das Pferd erledigt die Aufgabe also super, der Schwierigkeitsgrad ist durch die Geschwindigkeit deutlich höher und stilistisch werden die Möglichkeiten der Gewichtsaufnahme optimal ausgenutzt.

 Wird denn auch eine plus 1,5 vergeben?

 Jörg Bös: Ich habe diese höchste Note schön öfters vergeben. Warum auch nicht, wenn die Leistung da ist. Weichheit und Schnelligkeit sind die Faktoren für Plus, und wenn das gezeigt wird, muss auch die entsprechende Bewertung folgen. Natürlich steigt dann auch das Risiko für den Reiter: je schneller er wird, desto wahrscheinlicher sind auch Fehler. Da muss aber auch der Richter noch mal unterscheiden. Denn es gibt auch Reiter, die durch Schnelligkeit Unkorrektheiten auszubügeln versuchen.

Also zusammengefasst: Es gilt immer zunächst der Grundsatz der Korrektheit. Danach folgt die Bewertung der Smoothness und Finesse (Schnelligkeit und Risikobereitschaft).

Hat der erste Starter einen Nachteil, weil der Richter vielleicht noch mit seinen Scores nicht in die Vollen geht?

 Jörg Bös: Der Richter darf den Sieger nicht verpassen. Der Richter muss deshalb vom ersten bis zum letzten Starter bereit sein, für jedes positive Manöver die entsprechenden Punkte zu vergeben, auch wenn sie noch so hoch sind. Ein erfahrener Richter nutzt zudem auch wirklich die ihm zur Verfügung stehende Palette von minus 1,5 bis plus 1,5 Punkte komplett aus, um tatsächlich dem gerecht zu werden, was ihm gezeigt wird.

 Oft dauert eine Reining über Stunden und bei speziellen Reining-Turnieren sieht der Richter manchmal über Tage durchgehend nur Reining. Schafft man es da als Richter wirklich, jeden Reiter mit gleichen Maßstäben und ohne Müdigkeitsattacken fair zu beurteilen?

 Jörg Bös: Da braucht es schon ein bisschen Erfahrung, ich denke so 2 bis 4 Jahre. Denn der Richter muss Routine im Scoring haben, um über lange Strecken einen guten Job machen zu können. Das ist schon sehr schwierig. Mit der Routine ist es dann so, dass man nicht mehr nachdenkt über die gezeigten Leistungen, sondern quasi automatisch die Bewertung kommt. Das geht dann aber mit der Routine.

 

Grischa Ludwig monierte im vergangenen Interview, die Ansager müssten mehr Moderation bieten und so die Stimmung hochhalten. Dazu gehöre auch eine adäquate Ansage der erfolgreichen Reiter mit ihren Titeln statt nur der Durchsage ala „jetzt kommt xy auf xy mit der Startnummer xy“. Deine Meinung?

 Jörg Bös: Da hat er Recht. Das würde unserem Sport gut tun, wenn da mehr rüber käme als die Startnummer. Uns Richtern ist es doch für die Bewertung völlig egal, was der Moderator sagt. Wir kennen die Reiter doch eh, genauso wie die Pferde und ihre Leistungen. Und verlieren doch wegen der Ansage nicht die Manöver-Beurteilung aus den Augen. Wir richten, was wir sehen. Mehr spielt für uns keine Rolle.

Um unseren Sport zu promoten, sehe ich es also auch so, dass die Reiter entsprechend angekündigt werden sollten. Das ist fair gegenüber den Reitern, die doch lange und hart dafür gearbeitet haben. Und noch mal: Ich glaube nicht, dass davon die richterlichen Leistungen beeinflusst werden.

 Gerade wenn mehrere Richter tätig sind, stehen sie besonders im Fokus der Zuschauer und Richter, die genau auch auf die Abweichungen der Richter untereinander schauen. Gibt es das Absprachen der Richter untereinander?

 Jörg Bös: Nein. Wie schon beschrieben, macht das Regelwerk klare Angaben. Alle Abweichungen bis zu zwei Punkten sind vertretbar. Zum einen ist natürlich immer noch eine gewisse Subjektivität gegeben, zum anderen spielen auch andere Faktoren wie etwa der Standort des Richters eine Rolle. Etwa Markerfehler: sie sind für die in einer Arena verteilten Richter unterschiedlich einzusehen. Der Blickwinkel kann also entscheidend sein.

Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen: Abweichungen von mehr als zwei Punkten kommen nur selten vor. Aber auch dann gibt es keine Absprachen der Richter untereinander. Übrigens auch nicht bei einem möglichen Videoentscheid: Der ist nur möglich, wenn das Video offiziell ist, also zum Beispiel alle Ritte aufnimmt. Und es gibt auch nur dann einen Video-Entscheid, wenn es um einen Penalty von mindestens fünf Punkten oder um einen 0-Score für die Pattern geht. Aber selbst dann entscheidet jeder Richter allein über sein Urteil. Jeder richtet das, was er gesehen hat!

Wichtig ist mir aber zu sagen, dass wir Richter immer zugunsten des Reiters werten sollten. Damit meine ich: give the benefits for the riders. Wir sollten anders rum gesagt uns also nicht zum Fehlergucker herablassen.

 Muss man selbst geritten haben, um ein guter Richter sein zu können?

 Jörg Bös: Eigentlich schon. Es ist eindeutig die bessere Alternative, das selbst gemacht zu haben und deshalb auch zu wissen, was der Reiter gerade da fühlt und macht. Ausnahmen bestätigen aber die Regel. Bei der NRHA braucht man als Richter keine reiterliche Erfahrung nachweisen, bei der EWU muss man das Bronzene Reitabzeichen abgelegt haben.

 Fließt der Reitstil in die Bewertung ein?

 Jörg Bös: Nein. Nur indirekt. Nehmen wir das Beispiel Stop. Ein Pferd, das mit Hohlkreuz und hohem Kopf stoppt, ist natürlich nicht so toll wie ein Stop eines sich in positiver Spannung befindenden Pferdekörpers.

Bewertet werden aber diese Kriterien: Die Anlehnung, die natürliche Haltung, der angemessen lose Zügel und ob die Nase hinter der Senkrechten ist. Wir wollen ja keine Angst vor dem Gebiss sehen, was sich durch eine Kopfhaltung deutlich hinter der Senkrechten ausdrückt. So ist der Stil eigentlich egal. Indirekt spielt er natürlich eine große Rolle, weil der Stil oft erst eine gute Ausführung ermöglicht.

Nehmen wir als Beispiel den Sitz des Reiters: Reiten hat was mit Ästethik zu tun. Und ein guter Sitz lässt das Pferd den Reiter besser tragen, der zudem dadurch bessere Einwirkungsmöglichkeiten hat. Und ein guter Sitz samt den besseren Einwirkungen führt natürlich auch wieder zu mehr Harmonie. Harmonie zwischen Reiter und Pferd ist nur mit einem guten Sitz zu erreichen. Und wer einen schlechten Sitz hat, muss viel mehr tun, um plussen zu können.

 Einige Reiter nehmen die freie Hand parallel zur Zügelhand nach vorne. Kann der Richter da eigentlich noch verbotene Eingriffe der zweiten Hand erkennen?

 Jörg Bös: Grundsätzlich gilt ja: Richter sind keine Götter und können nicht alles sehen. Und die zweite Hand vorne parallel zur Zügelhand ist für uns wirklich nicht angenehm.

Aber andererseits zeichnet sich ja in der Regel schon ab, ob der Reiter vielleicht bald mit der zweiten Hand einwirken muss. Dann kann man schon gezielter das beobachten.

 Wohin schaut der Richter denn überhaupt bei einer Reining: Fixiert er vor allem die Pferdebeine?

 Jörg Bös: Ich versuche, nichts Bestimmtes zu fixieren, sondern einen umfassenden Blick zu haben. Generell schaue ich in die Mitte, also auf das Reiterbein. Dadurch habe ich alles im Blick und kann bei Veranlassung kurz einen bestimmten Bereich besonders fixieren. Das ist wichtig, weil ich ja auch nicht wie schon beschrieben gezielt nur nach Fehler suchen will, sondern das Gesamtbild sehen will und die Benefits nicht verpassen möchte.

Ich will die beste Reiter-Pferd-Kombination erkennen und nicht nur die Fehler notieren. Das ist auch wichtig für die Zukunft des Sports. Denn nur so bekommen wir Ausdruck in den Sport. Und Ausdruck können nur Pferde zeigen, die auch gewisse Freiheiten haben.

 Lieber Jörg, vielen Dank für das interessante Gespräch.

 

Das Interview führte Jörg Brückner.
Mit freundlicher Genehmigung vom westernreiter

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Quelle EWU

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