Und
wer ernennt die Stewards und die Richter für einen FEI-Wettbewerb?
Jörg
Bös:Die FEI, aber welche Personen genau,
weiß ich nicht.
Aber
bestimmt stehen neben den Stewards auch schon die Richter für
Aachen fest?
Jörg
Bös: Ja, so ist es. Die Reining-Wettbewerbe
in Aachen werden von Jan Boogaerts (Belgien),
Allan Mitchells (USA), Pat Carter (Kanada), Sylvia Katschker
(Österreich) und Ralf Hesselschwerdt
aus Deutschland gerichtet. Bit Jugde
wird Simone Reiss aus der Schweiz sein.
Und
wie wird man Richter der FEI?
Jörg
Bös: Die internationale Richterkarte der NRHA muss vorliegen und
natürlich praktische Erfahrung als Richter – auch bei CRI`s. Die nationalen Verbände, bei uns also die FN, stellen
eine Kandidatenliste auf und auch ein FEI-Seminar
muss dann noch erfolgreich wahrgenommen werden.
Beim
Maimarkt-Turnier in Mannheim warst Du Bit Jugde, auch mehrere Stewards waren zu erkennen. Ein äußeres
Zeichen für einen CRI. Was aber ist das eigentlich genau?
Jörg
Bös: Ein CI steht in der Sprache der FEI für Concours International.
Beim CRI steht das „R“ zusätzlich für Reining.
Ein CRI ist also ein Concours Reining
International. Das ist ein von der FEI anerkannter internationaler
Reining-Wettbewerb.
Es
gibt aber auch ein CRIO sowie ein German Masters und eben die
Weltreiterspiele. Noch dazu gibt es die CRI’s
mit verschieden vielen Sternchen. Wir brauchen dringend etwas
Klarheit in diesem Kürzeldschungel.
Jörg
Bös: Das will ich gerne versuchen: Ein Concours Reining International (CRI) gibt es in vier Stufen: vom CRI
mit einem Stern bis zum CRI mit vier Sternen. Die Unterteilung
richtet sich im wesentlichen nach der Höhe des Preisgeldes. In
Mannheim etwa hatten wir einen CRI mit drei Sternen. Ein CRI mit
einem Stern ist die niedrigste Wertung, ein CRI mit vier Sternen
die höchste.
Umso
mehr Sterne ein CRI hat, umso umfangreicher sind die Bestimmungen
und Auflagen. So wächst etwa mit der Zahl der Sterne die Zahl
der verbindlich vorgeschriebenen Stewards. Aber auch die Zahl
der vorgeschriebenen Richter wächst entsprechend: Ein CRI* richtet
ein Richter, ein CRI** wird von zwei Richtern gerichtet, ein CRI***
von drei Richtern (davon mindestens ein ausländischer Richter)
und einem Bit Jugde – und ein CRI****
von fünf Richtern plus Bit Jugde, wobei
dann jeweils der höchste und der niedrigste Score aus der Wertung
fallen. Alle CRI`s werden in einer jährlichen Wertungsliste erfasst. Sozusagen
eine Weltrangliste. Den einzelnen Ländern ist nicht vorgeschrieben,
wie viele CRI`s sie veranstalten.Ein
CRIO ist ein Concours Reining International
Officiel. Das ist wie ein CRI, aber zusätzlich zum Einzelwettbewerb
verbindlich um einen Teamwettbewerb erweitert. Im klassischen
Reitsport ist wohl der CHIO in Aachen allen ein Begriff. Das H
steht in diesem Fall für Hippique und meint eine Veranstaltung
mit Wettbewerben in mehr als einer Disziplin.
Oben
an der Spitze stehen schließlich die Championships (CH) wie etwa auch die World E-questrian Games, also die Weltreiterspiele.
Und
was hat das Reining Masters mit dem
CRI bzw. den Weltreiterspielen zu tun?
Jörg
Bös: Die CRI-Läufe wurden etwa in diesem
Jahr bei uns als Sichtungsläufe für die WM-Nominierung herangezogen.
Für das Reining Masters sind es die
Qualifikationsläufe, wobei ein Reiter immer nur bei einem Start
in seinem Heimatland dafür punkten kann.
Die
Teilnehmer des Reining Masters sind
also die Jahresbesten eines jeden Landes bei den CRI`s.
Wobei es da noch eine Unterscheidung gibt: Die fünf erfolgreichsten
Länder der jeweils letzten Weltreiterspiele dürfen zwei Starter
zum Masters schicken – in diesem Jahr also wegen Jerez die Nationen
USA, Kanada, Großbritannien, Italien und Deutschland – und die
anderen Nationen jeweils einen Starter. Qualifiziert ist also
der jeweils beste Reiter bzw. die zwei besten Reiter einer Nation
des Jahres. Kann ein entsprechend qualifizierter Reiter nicht
teilnehmen, können die Nachstehenden der Rangliste nachrücken.
Allerdings ist dieses Nachrücken nur bis maximal zum Fünften der
Rangliste möglich, danach verfällt das Startrecht.
Spielt
denn diese Weltrangliste schon eine bedeutende Rolle? Sie steht
doch dann in Konkurrenz zur in der Szene bekannten jährlichen
Rangliste der NRHA?
Jörg
Bös: Und ob. Ich weiß von vielen, wie sehr darauf geschaut wird.
Die Bedeutung der FEI-Rangliste wurde
in kürzester Zeit sehr bedeutend, auch für die Amerikaner.
Gibt
es dafür - außer der FEI-Reputation
- Gründe?
Jörg
Bös: Diese Reputation der FEI und damit des offiziell für den
Weltreitsport zuständigen Verbandes kann nicht hoch genug bewertet
werden. Darüber hinaus haben natürlich die ganzen FEI-Wettbewerbe
einen großen neuen Markt – auch für die Amerikaner – geöffnet.
Nach der Futurity und dem Derby gibt es nun große Shows auch für die
älteren Pferde. Das ist natürlich auch für den US-Markt kein geringer
Grund.
Nach
welchem Regelwerk werden die FEI-Wettbewerbe
gerichtet?
Jörg
Bös: Nach dem Regelbuch der FEI. Bei der Reining wurde im sportlichen Bereich das Regelbuch der NRHA
ohne Änderungen übernommen, aber um die allgemeinen Regeln der
FEI, wie etwa die Bestimmungen für Stewards, erweitert.
Wie
funktioniert das NRHA-Regelbuch?
Ist
es richtig, dass für den Scorebereich der Richter jeweils eine
andere Meßlatte anlegt, also etwa bei der Geschwindigkeit im Spin
in seiner Erwartungshaltung zwischen Provinz-Turnier und Weltmeisterschaft
bzw. zwischen Anfänger- und Profi-Klasse unterscheidet?
Jörg
Bös: Nein, da wird nicht unterschieden. Die Meßlatte beim Score
sollte möglichst immer gleich sein und nicht Tages- oder Turnierabhängig.
Das NRHA-Regelbuch und die dazugehörige
Richterausbildung macht klare Aussagen, was korrrekt
ist oder nicht bzw. was Minus- oder Plusscore in welcher Höhe
ist. Es ist also völlig Veranstaltungs-, Boden- und Niveauunabhängig.
Der
Score-Bereich geht in halben Punktzahlen von minus 1,5 über 0
bis zu plus 1,5. Was ist dann etwa ein O-Score im Spin also ein
ordentlicher Spin - nicht zu verwechseln mit einem 0-Score, also
Off-Pattern, für die Pattern?
Jörg
Bös: Ein 0-Score im Spin bedeutet die korrekte Ausführung des
Spins. Also: Das Hinterbein steht stationär, der innere Fuß trägt
das Gewicht, das äußere Hinterbin sorgt
für die Vorwärtstendenz; die Schulter ist frei zum Kreuzen der
Vorderbeine; das Pferd arbeitet in gelassener Position; keine
Anzeichen von Verspannung und Steifheit.
Und
wofür bekommt man plus 1,5 Scorepunkte im Spin?
Jörg
Bös: Eine plus 1,5 bedeutet nicht eine perfekte Ausführung, sondern
eine excellente. Das Pferd erledigt
die Aufgabe also super, der Schwierigkeitsgrad ist durch die Geschwindigkeit
deutlich höher und stilistisch werden die Möglichkeiten der Gewichtsaufnahme
optimal ausgenutzt.
Wird
denn auch eine plus 1,5 vergeben?
Jörg
Bös: Ich habe diese höchste Note schön öfters vergeben. Warum
auch nicht, wenn die Leistung da ist. Weichheit und Schnelligkeit
sind die Faktoren für Plus, und wenn das gezeigt wird, muss auch
die entsprechende Bewertung folgen. Natürlich steigt dann auch
das Risiko für den Reiter: je schneller er wird, desto wahrscheinlicher
sind auch Fehler. Da muss aber auch der Richter noch mal unterscheiden.
Denn es gibt auch Reiter, die durch Schnelligkeit Unkorrektheiten
auszubügeln versuchen.
Also
zusammengefasst: Es gilt immer zunächst der Grundsatz der Korrektheit.
Danach folgt die Bewertung der Smoothness
und Finesse (Schnelligkeit und Risikobereitschaft).
Hat
der erste Starter einen Nachteil, weil der Richter vielleicht
noch mit seinen Scores nicht in die Vollen geht?
Jörg
Bös: Der Richter darf den Sieger nicht verpassen. Der Richter
muss deshalb vom ersten bis zum letzten Starter bereit sein, für
jedes positive Manöver die entsprechenden Punkte zu vergeben,
auch wenn sie noch so hoch sind. Ein erfahrener Richter nutzt
zudem auch wirklich die ihm zur Verfügung stehende Palette von
minus 1,5 bis plus 1,5 Punkte komplett aus, um tatsächlich dem
gerecht zu werden, was ihm gezeigt wird.
Oft
dauert eine Reining über Stunden und
bei speziellen Reining-Turnieren sieht
der Richter manchmal über Tage durchgehend nur Reining.
Schafft man es da als Richter wirklich, jeden Reiter mit gleichen
Maßstäben und ohne Müdigkeitsattacken fair zu beurteilen?
Jörg
Bös: Da braucht es schon ein bisschen Erfahrung, ich denke so
2 bis 4 Jahre. Denn der Richter muss Routine im Scoring
haben, um über lange Strecken einen guten Job machen zu können.
Das ist schon sehr schwierig. Mit der Routine ist es dann so,
dass man nicht mehr nachdenkt über die gezeigten Leistungen, sondern
quasi automatisch die Bewertung kommt. Das geht dann aber mit
der Routine.
Grischa
Ludwig monierte im vergangenen Interview, die Ansager müssten
mehr Moderation bieten und so die Stimmung hochhalten. Dazu gehöre
auch eine adäquate Ansage der erfolgreichen Reiter mit ihren Titeln
statt nur der Durchsage ala „jetzt kommt
xy auf xy mit der Startnummer xy“. Deine Meinung?
Jörg
Bös: Da hat er Recht. Das würde unserem Sport gut tun, wenn da
mehr rüber käme als die Startnummer. Uns Richtern ist es doch
für die Bewertung völlig egal, was der Moderator sagt. Wir kennen
die Reiter doch eh, genauso wie die Pferde und ihre Leistungen.
Und verlieren doch wegen der Ansage nicht die Manöver-Beurteilung
aus den Augen. Wir richten, was wir sehen. Mehr spielt für uns
keine Rolle.
Um
unseren Sport zu promoten, sehe ich
es also auch so, dass die Reiter entsprechend angekündigt werden
sollten. Das ist fair gegenüber den Reitern, die doch lange und
hart dafür gearbeitet haben. Und noch mal: Ich glaube nicht, dass
davon die richterlichen Leistungen beeinflusst werden.
Gerade
wenn mehrere Richter tätig sind, stehen sie besonders im Fokus
der Zuschauer und Richter, die genau auch auf die Abweichungen
der Richter untereinander schauen. Gibt es das Absprachen der
Richter untereinander?
Jörg
Bös: Nein. Wie schon beschrieben, macht das Regelwerk klare Angaben.
Alle Abweichungen bis zu zwei Punkten sind vertretbar. Zum einen
ist natürlich immer noch eine gewisse Subjektivität gegeben, zum
anderen spielen auch andere Faktoren wie etwa der Standort des
Richters eine Rolle. Etwa Markerfehler: sie sind für die in einer
Arena verteilten Richter unterschiedlich einzusehen. Der Blickwinkel
kann also entscheidend sein.
Aus
eigener Erfahrung kann ich aber sagen: Abweichungen von mehr als
zwei Punkten kommen nur selten vor. Aber auch dann gibt es keine
Absprachen der Richter untereinander. Übrigens auch nicht bei
einem möglichen Videoentscheid: Der ist nur möglich, wenn das
Video offiziell ist, also zum Beispiel alle Ritte aufnimmt. Und
es gibt auch nur dann einen Video-Entscheid, wenn es um einen
Penalty von mindestens fünf Punkten
oder um einen 0-Score für die Pattern geht. Aber selbst dann entscheidet
jeder Richter allein über sein Urteil. Jeder richtet das, was
er gesehen hat!
Wichtig
ist mir aber zu sagen, dass wir Richter immer zugunsten des Reiters
werten sollten. Damit meine ich: give
the benefits
for the riders.
Wir sollten anders rum gesagt uns also nicht zum Fehlergucker
herablassen.
Muss
man selbst geritten haben, um ein guter Richter sein zu können?
Jörg
Bös: Eigentlich schon. Es ist eindeutig die bessere Alternative,
das selbst gemacht zu haben und deshalb auch zu wissen, was der
Reiter gerade da fühlt und macht. Ausnahmen bestätigen aber die
Regel. Bei der NRHA braucht man als Richter keine reiterliche
Erfahrung nachweisen, bei der EWU muss man das Bronzene Reitabzeichen
abgelegt haben.
Fließt
der Reitstil in die Bewertung ein?
Jörg
Bös: Nein. Nur indirekt. Nehmen wir das Beispiel Stop. Ein Pferd, das mit Hohlkreuz und hohem Kopf stoppt,
ist natürlich nicht so toll wie ein Stop
eines sich in positiver Spannung befindenden Pferdekörpers.
Bewertet
werden aber diese Kriterien: Die Anlehnung, die natürliche Haltung,
der angemessen lose Zügel und ob die Nase hinter der Senkrechten
ist. Wir wollen ja keine Angst vor dem Gebiss sehen, was sich
durch eine Kopfhaltung deutlich hinter der Senkrechten ausdrückt.
So ist der Stil eigentlich egal. Indirekt spielt er natürlich
eine große Rolle, weil der Stil oft erst eine gute Ausführung
ermöglicht.
Nehmen
wir als Beispiel den Sitz des Reiters: Reiten hat was mit Ästethik
zu tun. Und ein guter Sitz lässt das Pferd den Reiter besser tragen,
der zudem dadurch bessere Einwirkungsmöglichkeiten hat. Und ein
guter Sitz samt den besseren Einwirkungen führt natürlich auch
wieder zu mehr Harmonie. Harmonie zwischen Reiter und Pferd ist
nur mit einem guten Sitz zu erreichen. Und wer einen schlechten
Sitz hat, muss viel mehr tun, um plussen
zu können.
Einige
Reiter nehmen die freie Hand parallel zur Zügelhand nach vorne.
Kann der Richter da eigentlich noch verbotene Eingriffe der zweiten
Hand erkennen?
Jörg
Bös: Grundsätzlich gilt ja: Richter sind keine Götter und können
nicht alles sehen. Und die zweite Hand vorne parallel zur Zügelhand
ist für uns wirklich nicht angenehm.
Aber
andererseits zeichnet sich ja in der Regel schon ab, ob der Reiter
vielleicht bald mit der zweiten Hand einwirken muss. Dann kann
man schon gezielter das beobachten.
Wohin
schaut der Richter denn überhaupt bei einer Reining: Fixiert er vor allem die Pferdebeine?
Jörg
Bös: Ich versuche, nichts Bestimmtes zu fixieren, sondern einen
umfassenden Blick zu haben. Generell schaue ich in die Mitte,
also auf das Reiterbein. Dadurch habe ich alles im Blick und kann
bei Veranlassung kurz einen bestimmten Bereich besonders fixieren.
Das ist wichtig, weil ich ja auch nicht wie schon beschrieben
gezielt nur nach Fehler suchen will, sondern das Gesamtbild sehen
will und die Benefits nicht verpassen
möchte.
Ich
will die beste Reiter-Pferd-Kombination erkennen und nicht nur
die Fehler notieren. Das ist auch wichtig für die Zukunft des
Sports. Denn nur so bekommen wir Ausdruck in den Sport. Und Ausdruck
können nur Pferde zeigen, die auch gewisse Freiheiten haben.
Lieber
Jörg, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Das
Interview führte Jörg Brückner.
Mit freundlicher Genehmigung vom westernreiter
Interview
mit Bundestrainer Kay Wienrich: "Ich bin mal wieder
Vorreiter" mehr...
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